DIE KRIMI-KOLUMNE

Heute möchte ich zur Abwechslung vier Krimis vorstellen, die allesamt von amerikanischen Autor(inn)en verfasst wurden und in den USA spielen. Zwei davon liegen auch in deutscher Übersetzung vor (Paretsky und Kellerman), die beiden anderen nur in Englisch.

 

Sara Paretsky, Fallout

V.I. Warshawski Series, Book 18 (2017, dt.: „Altlasten“)

 

Sara Paretsky ist eine Altmeisterin im Krimi-Genre und sie verzettelt sich auch nicht, wie viele ihrer Kollegen, mit zu vielen verschiedenen Serien. Ihre V.I. Warshawski-Reihe läuft seit 1982 und umfasst rund 20 Bände. 1986 gründete Paretsky  gemeinsam mit anderen Kriminal- und Thrillerautorinnen die Organisation Sistersin Crime. In Deutschland sind die Bücher großteils im Piper Verlag, zuletzt im Ariadne Verlag Hamburg erschienen.

 

Paretsky wuchs im US-Bundesstaat Kansas auf und studierte Politikwissenschaft an der Universität von Kansas in Lawrence. Dort spielt auch ihr „Stand-alone“-Roman „Bleeding Kansas“ von 2008 und dorthin kehrt sie in Krimi-Band 18 mit dem Titel, „Fallout“ (dtsch. „Altlasten“) zurück.

 

Hauptfigur ist V.I. (Victoria Iphigenia) Warshawski, die eine Privatdetektei in Chicago betreibt, Nebenfiguren sind ihre beiden Hunde, Peppy und Mitch, und ihr Nachbar Mr. Contreras, dazu die jüdische Ärztin Lotti und deren Mann Max. Zusammen mit Hund Peppy ist V.I. in „Fallout“ in Kansas unterwegs, auf der Suche nach einem verschwundenen afroamerikanischen Trainer und Filmemacher namens August Veriden, der aus unerklärlichen Gründen mit einem früheren schwarzen Filmstar namens Emerald Ferring abgetaucht ist. Warshawski folgt diversen Fährten in Kansas, vor allem in der College-Kleinstadt Lawrence, der Geburtsstadt von Ferring, und wirbelt dabei viel Staub auf, der nicht immer direkt mit dem Fall zu tun hat. Sie stößt auf Familienstreitigkeiten, Rassismus, alte unaufgeklärte Mordfälle, Bioterrorismus und andere Unwägbarkeiten. Der Krimi zeigt viele Facetten und wird nie langweilig.

 


Faye Kellerman, Walking Shadows

Peter Decker/Rina Lazarus Series, Book 25,

 (2019, dt.: „Erbsünde“)

 

Faye Kellerman, aus  St. Louis/Missouri stammend, ist mit dem Psychologen und Bestsellerautor Jonathan Kellerman verheiratet und lebt heute in Los Angeles. Einige Bände haben beide gemeinsam verfasst und auch Sohn Jesse schreibt. Kellerman ist bekennende orthodoxe Jüdin und entsprechend behandeln auch ihre meisten Romane Kriminalfälle im jüdisch-orthodoxen Milieu. Der anfangs in Kalifornien lebende Kommissar und Konvertit Peter Decker löst viele davon, in den neueren Bänden tatkräftig von seiner Frau Rina Lazarus, manchmal auch von Tocher Cindy, ebenfalls Polizistin, unterstützt. Die Kinder sind inzwischen aus dem Haus und das Paar ist mittlerweile in den vorgeblich ruhigeren Ort Greenbury/New York gezogen, da Decker, „semi-retired“, kürzer treten möchte.

 

In „Erbsünde“ (Walking Shadows) von 2019 geht es um einen für die ländliche Region in Upstate New York brutalen Mordfall. Ein junger Mann, Brady Neil, aus dem benachbarten Hamilton ist tot. Decker macht sich auf die Suche nach den Hintergründen, stößt auf einen Juwelendiebstahl mit Todesfolge und auf Unkorrektheiten in Polizeikreisen. Familienbande sind zu entwirren, eine junge Polizistin stellt sich erfolgreich gegen ihren Polizisten-Vater und bewährt sich, und Tyler McAdams, Deckers junger, altkluger Protegé sowie Rina unterstützen Decker bei der Wahrheitsfindung. Absolut gut konstruiert und überaus lesenswert bis zum Ende!

 

 


David Baldacci, Daylight

Atlee Pine Series, Book 3 (Engl., bis dato noch nicht übersetzt)

 

Ohne Vorteile schüren zu wollen, bei diesem und dem nächsten Krimi merkt man, dass er von Männern geschrieben wurde! Während es in den beiden zuvor empfohlenen Krimis vergleichsweise „beschaulich“ zugeht und Logik, Recherchetechniken und bodenständige Vernunft eine Rolle spielen, wird es bei Bestsellerautor Baldacci „handgreiflicher“ und zugleich „utopischer“.

 

David Baldacci war ein „jack-of-all-trades“ ehe er sich als Jurist dem Schreiben zuwandte. Heute sind seine Bücher in viele Sprachen übersetzt und liegt die Gesamtauflage weltweit bei über 40 Mio. Exemplaren. Sein erstes Werk „Der Präsident“ („Absolute Power“) wurde 1997 mit Clint Eastwood und Gene Hackman verfilmt und auch die Buchserie um die Protagonisten Sean King und Michelle Maxwell war gut für eine TV-Serie.

 

In seiner neuesten Reihe – neben Camel Club, King & Maxwell, Shaw & James, John Puller, Will Robie, Amos Decker – spielt Atlee Pine die Hauptrolle. In Band 3 der Atlee-Pine-Reihe agiert die FBI-Agentin zusammen mit John Puller, dem altbekannten erfahrenen Ermittler der Militärpolizei (Army). Während Pine zusammen mit der etwas betulichen Assistentin Carol Blum auf der Suche nach ihrer Zwillingsschwester ist und deren Kidnapper sucht, leitet John Puller am gleichen Ort Untersuchungen zu einem Drogenring in Militärkreisen. Bald schon ergeben sich Bindeglieder zwischen beiden Fällen und Puller und Pine ermitteln, teils unter Einsatz ihres Lebens, gemeinsam – und katapultieren sich in immer höhere Sphären. Die Demokratie und die nationale Sicherheit geraten ebenso in Gefahr wie das Ansehen des Militärs und am Ende hat Atlee ihre Schwester noch immer nicht gefunden. Wird allmählich Zeit!

 


Lee Child & Andrew Child, The Sentinel

A Jack Reacher Novel (Engl., noch nicht übersetzt)

 

John Puller (s. oben) und Jack Reacher, der Protagonist in Childs Kriminalromanen, haben viele Gemeinsamkeiten. Beide sind starke, unbesiegbare, unabhängige Männer, beide mit Militär-(Polizei)-Hintergrund. Wer zuerst kam (wohl Reacher) und wer der „Bessere“ ist, wird in Krimikreisen viel diskutiert. Reacher ist, wie frühen Bänden zu entnehmen war, nach 13-jähriger Dienstzeit mit 35 Jahren ehrenhaft als Major der US Army entlassen worden und hatte zuletzt eine Eliteeinheit der Militärpolizei geleitet. Er ist bekannt für seinen Gerechtigkeitssinn und dafür, Gut und Böse ohne Rücksicht auf Verluste zu trennen. Reachers Lebensstil ist ebenfalls ungewöhnlich: ohne festen Wohnsitz, mit Bussen oder per Anhalter unterwegs, ohne Gepäck (außer einer Zahnbürste) und ohne Beziehungen jeglicher Art führt er ein Dasein als Einzelgänger und ewig Umherziehender.

Reacher läuft auch in diesem Band, den Lee Child zusammen mit seinem Bruder Andrew verfasst hat (was man nicht unbedingt merkt) zu Hochform auf. Der gebürtige Brite Lee Child, der 1998 in die USA ausgewandert ist, heißt eigentlich James Dover Grant und zählt ebenfalls zu den meistverkauften und gelesenen Krimiautoren weltweit. Seine Reacher-Thriller kommen auf 60 Millionen Exemplare pro Auflage in fast 100 Ländern. Seine Bücher „Sniper“ und „Die Gejagten“ wurden mit Tom Cruise in der Hauptrolle verfilmt.

 

„The Sentinel“ ist die Nr. 25 in der Reihe und wurde im Oktober 2020 publiziert. Reacher strandet dieses Mal in einem Dorf bei Pleasantville, Tennessee. Er wird zu Anfang in einen Entführungs- bzw. Mordversuch verwickelt, der eigentlich einem anderen Mann gilt, nämlich dem IT Manager und Computerfreak Rusty Rutherford. Es geht im Folgenden um eine Cyberattacke, um Konspiration, um russische Spione, FBI und amerikanische Neonazis.

 

Reacher wird von einer früheren FBI-Agentin unterstützt, wirkt hier aber noch stärker als bisher aus der Zeit gefallen, schwerfällig im Umgang mit Mobiltelefonen, und ausgestattet mit Superman-Kräften. Von IT und Datenumgang scheint Reacher (und damit Child) nicht allzu viel zu verstehen, was man an manchen Details merkt. Die Handlung ist nicht immer ganz stringent, manchmal bewegt sie sich in zu abstrakten Sphären, aber dennoch handelt es sich um einen Thriller mit viel Action. Einschränkend muss gesagt werden, dass Jack Reacher mein absoluter männlicher Lieblingsprotagonist ist,  er mir aber allein, ohne Atlee, besser gefällt.