Das Phänomen Sneakers. Sammelwahn, Lifestyle oder nur Turnschuh?


Kikikickz, Sneaker Obsession

Paperback, Klappenbroschur, 176 Seiten, 200 Abb.

ISBN: 978-3-7913-8042-1

Erschienen am 28. Februar 2024 

Prestel Verlag München 

 € 25,00 [D] inkl. MwSt. 

 

 

 

 

 

 „Hintergründe, Marken, Trends – alles, was man über Sneaker wissen muss“, so lautet der Untertitel dieses neu bei Prestel (München) erschienenen Buchs „Sneaker Obsession“, das zunächst durch seinen grellgelben Umschlag mit darauf plastisch geprägten roten Sneakers optisch auffällt. Zugegeben, die Rezensentin dieses Buches hatte vorher nicht viel Ahnung von Sneakern und dem damit verbundenen Hype. Sie hatte in Folie eingepackte Sneakers zu mehreren Hundert oder gar Tausend Euros in spezialisierten Läden in New Yorks In-Vierteln bewundert, kennt einen Kollegen aus Frankreich, der Sneaker sammelt, hat aber in ihrem eigenen Schuhschrank, abgesehen von Laufschuhen, gerade einmal zwei paar alte Converse-Sneakers, die einen mit Comic-Motiven, die anderen in Camouflage, stehen.

Angesichts dessen kam dieses Buch über die Welt der Sneaker gerade recht. In ihm geht es höchst informativ um viele Aspekte: von den Ursprüngen der Sneakerkultur über Modelle und Codes bis hin zu den aktuellen Trends und Entwicklungen. Turnschuhe sind eben mehr als universal tragbares Schuhwerk, nämlich begehrte Sammel- und Designobjekte, Kultgegenstände und Wertanlagen. Mittels zahlreicher Fotos, Infografiken und detaillierter Produktbilder wird dieses Buch zum hilfreichen Nachschlagewerk.

 

Die „Schleicher“ mit Kultcharakter

Sneakers, Turn- oder Sportschuhe – der Name leitet sich von „to sneak“ (schleichen) ab. Man kann sich dank der Gummisohlen  weitgehend geräuschlos bewegen. In „Sneaker Obsession“ geht es aber weniger um die alten zweckmäßigen Turnschuhe als vielmehr um die heutigen Lifestyle-Schuhe. Herausgegeben wurde das Buch von Kikikickz, einem führender Sneaker-Händler aus Frankreich, der auf seltene Modelle und Limited Editions spezialisiert ist. Fachleute dieser Firma, vor allem der Modejournalist Alexandre Pauwels, Werbeteckter bei Kikikickz, erklären, was sich hinter Begriffen wie „Reseller“, „Collabs“ oder „Raffles“ verbirgt.

 

Das Buch ist dabei in sechs große Kapitel gegliedert. Im ersten, dem Einführungs-Kapitel, geht es um die Begriffsdefinition, aber auch um die „Anatomie“ eines Schuhs, mit Kragen, Ferse, Midguard, Outsole, etc., alles klar anhand einer Zeichnung erklärt. Dann die Terminologie: Schon gewusst, was „BNIB“ heißt? Es steht für „brand new in box“, während „DS“ (deadstock) ursprünglich hieß, dass ein Schuh nicht mehr im Einzelhandel erhältlich ist, heute jedoch mehr für „noch nie probiert/getragen“ verwendet wird. „Restock“ bezieht sich auf eine neue Charge eines ausverkauften Sneakers und ein „F&F“-Sneaker ist selten und wird nur intern an „family & friends“ weitergegeben.


Die Erfolgsgeschichte der Sneaker von den Anfängen über Hip-Hop zum Lifestyle-Objekt steht im Zentrum des nächsten Kapitels. Vom frühen 20. Jh., damals noch Sportequipment, zum Stilsymbol und Objekt der Begierde. Adidas, Puma, Asics – Olympische Spiele, Fußball WM – machten den Anfang, doch schon früh zogen jugendliche Subkulturen Sneaker als Anti-Establishment-Symbol auf der Straße an. 

 

Der Hip-Hop machte ab den frühen 1970ern, in New York, die Sneaker zum Modeaccessoire. Run-DMC zeigte sich verbunden mit Adidas, 50 Cent oder Jay-Z wandten sich Reebok zu. Dann kam Michael Jordan (li.). Der Basketball-Superstar katapultierte die Sneaker-Kultur zu neuen Höhen als er 1984 mit Nike-Schuhen auftrat. Andere NBA-Spieler taten es ihm nach und in den 1990ern hatte sich der Turnschuh zum Lifestyle-Objekt entwickelt.

 

Marken und Modelle 

Im nächsten Kapitel kann man viel lernen, vor alle dank der Nebeneinanderstellung der maßgeblichen Modelle. Bekannte Brands wie wie Nike, Adidas, Converse oder Reebok werden in diesem Hauptteil des Buches vorgestellt, aber auch Exoten und Luxusmarken. Nike's Geburtsstunde war 1971 in in Beaverton/OR, die Marke ging jedoch aus dem 1964 gegründeten „Blue Ribbon“ hervor.

 

Ausstellung zur Entstehung von Nike im Hayward Field der University of Oregon in Eugene
Vor allem die Air-Max-Modelle wurden wegweisend und natürlich die „Jordans“, eine Tochtergesellschaft von Nike, 1984 gegründet. Es war die „Signature Line“ der Firma und sie stand für besonders kultige Sneaker, die als Air Jordan-Modelle 1985-1995 Furore machten. Der „Jordan 3 Black Cement“ von Nike war für den Turnschuhmarkt wie das iPhone für den Mobiltelefonmarkt. 1988 kam der Schuh heraus, dann noch einmal 2011, und nach wenigen Minuten war er weltweit ausverkauft.

Adidas galt als zeitlos (und zwischendurch auch als „langweilig“). Die Firma war 1949 von Adolf Dassler gegründet worden, das 3-Streifen-Logo ging bald um die Welt, nicht nur dank Run-DMC, der Haupt-Werbeträger der Firma wurde. Bei „Yeezy“ handelt es sich um eine Kollaboration zwischen Adidas und Kanye West. Es entstand ein Imperium um den beliebten „Yeezy Boost“, bis der Rapper 2022 in Ungnade fiel, und mit ihm Adidas.

 

Rudolf Dassler, der Bruder des Adidas-Gründers, hatte nach dem zweiten Weltkrieg Puma gegründet, mit einer springende Wildkatze als Logo. Für Aufsehen sorgte die Firma 1993 mit dem „Disc Blaze“, einem neuem Verschlusssystem. Die Ende des 19. Jh. in Großbritannien gegründete Firma Reebok galt immer ein wenig als Außenseiter, betrieb Sponsoring in geringerem Ausmaß. Die Firma lief 2005 erst zu Adidas über und wurde dann 2022 Teil der Authentic Brands Group USA.

 


Der Klassiker ist ... Converse, vor allem dank des Basketball-Stars Chuck Taylor. Die „Chuck Taylor All Stars“ liefen 1917 erstmals vom Band und wurden zum Dauerbrenner. Eines der meistverkauften Sneakermodelle, ein Klassiker und seit fast 100 Jahren auf dem (amerikanischen) Markt – das sind die Chucks.

 

Andere, meist jüngere Firmen, die im Buch zur Sprache kommen sind z.B. New Balance, beliebt in der Lifestylekategorie, die japanische Firma Asics, die für ihre Gel-Technologie berühmt wurde, oder Vans aus Anaheim/California, die Top-Skater-Marke. Am Rande kommen Saucony, Fila oder Solomon und Luxusmarken wie Balenciaga, Gucci oder Alexander McQueen vor.


Sneaker-Hype und Sneakerheads

„Rationalität zieht gegenüber der Leidenschaft den Kürzeren“ und „selten ist gleichbedeutend mit teuer“, oft werden die heiß begehrten Schuhe gar nicht  getragen, sondern bleiben in der Schachtel. Sneakerheads verfallen oft in einen Kaufwahn – so der Sammler Elie Coster in einem der (zu jedem Kapitel) eingebauten Interviews mit Sneaker-Freaks.

 

Der Hype um Sneakers - es werden Begriffe wie „Limited Editions“ (limitierte Auflagen und exklusive Veröffentlichungen) und Kollaborationen  erklärt. Partnerschaften mit Stars, v.a. mit Rappern, aber auch mit Luxus-Brands, Lifestyle-Stores oder Streetware/Mode-Labels sind bedeutend geworden. Z.B. kooperieren Puma mit Jil Sander, Jordan mit Dior oder es gibt Vans x Supreme, Nike Artists Series, Adidas x Gucci, Nike SB x Supreme. Kanye West galt lange als „Revolutionär“ im Business; er löste 2009 mit avantgardistischen Designs und neuartigem Marketing einen Hype aus. Heute sind  Virgil Abloh, Sneaker-Designer, und Travis Scott, Rapper aus Houston, der eigene Air Jordans kreiert und seit 2020 bei Nike unter Vertrag steht, Namen, die jeder Sneakerhead kennt. Eine immer wichtigere Rolle spielt die digitale Welt, Influencer und Prominente bei der Jagd auf „Limited Editions“. Per Raffle-Guide werden neue Veröffentlichungen online vertrieben, das Kaufrecht wird verlost.

 

Wobei wir beim „Resale“-Markt wären, seit den 1980ern eine Multimillionen-Dollar-Industrie. Privat werden in Läden nicht mehr erhältliche, begehrte Sneaker, gewinnbringend weiterverkauft. Resale-Plattformen wie StockX oder Kikkickz stellen Kontakte her. Der richtige Preis auf dem Wiederverkaufsmarkt basiert auf Angebot und Nachfrage, wobei Infuencer, Designs, Farben, aber auch Größen eine Rolle spielen. Und natürlich gibt es auch Fälschungen, dazu im Buch die maßgeblichen Kriterien, wie man solche erkennt.

 

Die Zukunft der Sneaker Culture? Nachhaltigkeit und Inklusion? Es gibt verschiedene Meinungen und im Text geht es um die Kontroversen: Modetrend oder Spekulationsblase, langfristiges Phänomen und zukunftsfähige Wirtschaft? Was ist an Innovation noch machbar (3-D-Druck, Personalisierung), was kann in Sachen Nachhaltigkeit (Recycling, Reuse-a-shoe) noch unternommen werden? Wie ernsthaft sind diesbezüglich die Bemühungen der Hersteller?

 

Sneaker-Kult für die Ewigkeit?


Jedes Jahr werden weltweit rund fünf Milliarden Sneaker produziert. Turnschuhe sind zum Massenphänomen geworden: in jeder Lebenslage tragbar, Umsatztreiber der Mode- und Luxusindustrie und uramerikanisch. Sammler geben ihr Erspartes für limitierte Auflagen aus und machen ihr Haus zum Schuhmuseum, in der Hoffnung auf Wertsteigerung. Hersteller gehen mit dem Trend und legen immer wieder stark limitierte Editionen auf, die bereits unmittelbar später um das mehrfache des Kaufpreises verkauft werden. Unterstützt wird die Bewegung von Stars aus der Sport- und Musikszene, die Werbung machen
.

 


Sneakerheads“ - die Fanatiker, die Sammler, die Junkies.; sie sammeln und hoffen auf hohe Renditen. Wenn ein Modell gefällt, bleibt es oft erst mal ein paar Jahre im Schrank stehen. Wenn die Schuhe wieder aus den Läden verschwunden sind, werden sie aus dem Regal herausgeholt. Innerhalb der Sneaker-Szene gibt es verschiedene Trägertypen und kulturelle Unterschiede. In den USA ist eher sportlicher Look – wie Jordans – gefragt, Europa steht auf Running-Retro-Modelle in Halbschuh-Form. Technische Aspekte wie Verschlüsse, Materialien und Sohlen werden ebenfalls wichtiger. Neben klassischen Tennisschuhen wie dem Stan Smith sind Schuhe in Metallic-Optik oder futuristischen Styles gefragt.

 


Die teuersten Sneaker aller Zeiten war übrigens ein Air Jordan 13, der für 2,2 Mio. Dollar am 11.4.2023 bei Sotheby's versteigert wurde, gefolgt vom Nike Air Yeezy 1 ($ 1,8 Mio.) und einem Nike Air Ship zu $ 1,47 Mio, von Michael Jordan signiert und 1984 von ihm getragen.

 

©Fotos: Prestel Verlag (Kikikickz Archiv, Nike, Reebok, Bridgeman Images, Suzanne Daniels) sowie MB (2)

©Text: MB 


 

„Die Welt ist viel zu bunt um allzu schwarz zu sehen“

 

Marianne Foerster, Ulrich Timm (Hrsg.)

 

Der Garten meines Vaters Karl Foerster

Bornimer Gartentagebuch in sieben Jahreszeiten


Vollständig aktualisierte, erweiterte und neu fotografierte Ausgabe mit Fotos von Ferdinand Graf Luckner 

 

Hardcover, Pappband, 160 Seiten, 180 farbige Abbildungen

ISBN: 978-3-7913-8969-1, Prestel Verlag München 2024, 38 €

 

 

Karl Foerster - dieser Name ist Programm und steht für den wohl bedeutendsten Staudenzüchter des 20. Jahrhunderts. Wer "Foerster" hört und Staudenfan ist, denkt möglicherweise sofort an Phloxe wie „Düsterlohe“ oder „Wenn schon denn schon“ (li. Bild) oder aber an seine Rittersporne. Noch heute werden Sorten wie „Finsterahorn“ oder „Berghimmel“, die er einst gezüchtet hat, in Staudengärtnereien angeboten.

 

Lebenswerk in Tagebuchform

Bei dem 2024 im Prestel Verlag erschienenen Hardcover-Buch handelt sich um die vollständig aktualisierte und erweiterte Ausgabe eines Standardwerks von 2005, das zum 150. Geburtstag von Karl Foerster 2024 neu aufgelegt wurde. Das saisonale Gartentagebuch von Marianne Foerster wurde mit neuen Bildern des bekannten Fotografen Ferdinand Graf Luckner illustriert und um verschiedene Texte ergänzt, u.a. um eine Geschichte des Bornimer Gartens und eine Auflistung der Lebensdaten von Karl Foerster.

Der Staudenzüchter Karl Foerster (1874–1970) hat seinen Bornimer Garten (oben) ab 1911 angelegt. Er entwickelte sich zum vorbildhaften Mustergarten und Gesamtkunstwerk und wurde später von Tochter Marianne gepflegt. Heute verwaltet von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in Bonn, steht die Anlage unter Denkmalschutz und ist ein beliebtes Ziel für alle Gartenfreunde. 


In dem Buch führt Marianne Foerster (1931-2010), ebenfalls Gärtnerin und Gartenplanerin, den Leser durch den rund 5000 qm großen Garten und zwar durch alle sieben Garten-Jahreszeiten. Nach drei Lehrjahren in der väterlichen Gärtnerei und weiteren zwei Jahren als Gehilfin war sie für mehr als drei Jahrzehnte im Brüsseler Büro des Gartenarchitekten René Pechère tätig. Von 1990 bis zu ihrem Tod im März 2010 kümmerte sie sich um den Garten in Potsdam-Bornim und nahm sich der Herausgabe der Schriften ihres Vaters an.

Foerster hat seit den 1920er-Jahren der Gartenkultur Europas entscheidende Impulse gegeben. Er hatte ein besonderes Verhältnis zu Pflanzen, sah sie als Individuen. Sein Ziel war es, mit geringem Pflegeaufwand größtmögliche Schönheit zu gewährleisten. Aus diesem Grunde beobachtete er seine Stauden und suchte nach Züchtungen mit den besten Eigenschaften bzgl. Stabilität, Wachstum, Gesundheit oder Farbe. So gelangen ihm rund 370 Neuzüchtungen winterharter Blütenstauden, allen voran Rittersporne (re. unten) und Phloxe.

 

Mit seinem Fokus auf winterharte Stauden wurde er zum Vordenker einer modernen, nachhaltigen und naturnahen Gartengestaltung. Bei Foerster standen das Zusammenspiel von Erscheinungsbild, Farbe und Duft im Mittelpunkt, dazu war ihm an widerstandsfähigen und ausdauernden Pflanzen gelegen. Auch Wildstauden, Gräser und Farne aus aller Welt interessierten ihn. „Man muss die Pflanzen nach ihrem Willen fragen“, war das Credo des Empirikers. Auf riesigen Versuchsfeldern pflanzte er 20- bis 30.000 Exemplare einer Art und überließ sie dem Zufall, sprich, der Wildbestäubung. Er selbst sah sich als Chronist und Beobachter, als "Buchführer" von Mängeln. Nach zwei Jahren siebte er die besten Pflanzen aus, dann folgten drei weitere Beobachtungsjahre, und erst danach kürte er die Sieger unter Flammenblumen, Sonnenkraut und Astern.


Vielseitiges Genie

1874 in Berlin als Sohn einer Malerin und eines Astronomen geboren, wurden Karl Foersters Kunstsinn und seine wissenschaftliche Neugier früh gefördert. Er absolvierte eine klassische Gärtnerlehre an der Königlichen Gärtnerlehranstalt am Wildpark bei Potsdam. 1903 gründete er seine eigene Staudengärtnerei auf dem elterlichen Land in Berlin-Westend, zog aber bereits  1910 nach Bornim bei Potsdam auf einen etwa 5000 m² großen Acker um. Hier entstand das Wohnhaus der Familie mit Haus-, Lehr- und Schaugarten.

 

1927 heiratete Karl Foerster die Sängerin und Pianistin Eva Hildebrandt, Tochter Marianne wurde 1931 geboren. Im Zweiten Weltkrieg stellte man auf Kartoffel- und Gemüseanbau um,  doch schon 1945 durfte Foerster mit Genehmigung der Sowjetischen Militäradministration erneut einen „Züchtungs- und Forschungsbetrieb winterharter Blütenstauden“ betreiben. Foersters Betrieb überstand beide Weltkriege, wobei seine Haltung zum Nationalsozialismus gelegentlich in Frage gestellt wurde. Zwei Jahre nach seinem Tod, 1970, wurde die Gärtnerei zum „Volkseigenen Gut Bornimer Staudenkulturen“ umgewandelt, Wohnhaus und Garten 1981 als „Karl-Foerster-Gedenkstätte“ unter Denkmalschutz gestellt. Marianne kehrte schließlich 1990 nach Bornim zurück, und von da ab entstand ihr Gartentagebuch.

 

„Wenn ich noch einmal auf die Welt komme, werde ich wieder Gärtner, und das nächste Mal auch noch. Denn für ein einziges Leben ward dieser Beruf zu groß“  

 

Foerster war nicht nur Botaniker und Gärtner, sondern auch Garten-Schriftsteller und Garten-Philosoph, Gartenpoet, Naturanwalt und wurde zu einer Art "Garten-Guru". 1911 entstand als erstes Buch „Winterharte Blütenstauden und Sträucher der Neuzeit“, 1917 folgte  „Vom Blütengarten der Zukunft“, danach viele weitere, z.B. 1940 „Blauer Schatz der Gärten“, eine Hommage an Foersters Lieblingsblütenfarbe, oder als letztes Werk „Es wird durchgeblüht. Thema mit Variationen (1968). In insgesamt 28 Büchern hat Foerster sein umfassendes Wissen der Nachwelt hinterlassen. 

 

Phlox paniculata und Delphinium (Rittersporn, Foto rechts als Beispiel) hatten es ihm angetan. Insgesamt sind ihm 370 eigene Züchtungen gelungen, wovon etwa ein Drittel noch heute im Handel ist. Seine ganze Liebe galt dem Rittersporn, der „blauen Blume“. 1920 züchtete er den „Berghimmel“, weitere folgten, allein 73 Sorten an Ritterspornen. 1928 erschien sein Buch „Der Rittersporn – Geschichte einer Leidenschaft“. Seine Leidenschaft für Phlox folgte auf dem Fuß: „Das Leben ohne Phlox ist ein Irrtum“ – so ein Zitat.

Zur Bundesgartenschau 2001 in Potsdam wurde der Garten in Bornim als Gartendenkmal rekonstruiert. Foerster war es immer wichtig gewesen, dass seine Gartenanlage jedem interessierten Besucher offen stand. Dieses Ansinnen hat Tochter Marianne weitergeführt. Festgehalten hat sie ihre Beobachtungen in einem Gartentagebuch und dieses steht im Zentrum des Buches, auf etwa 120 Seiten. Zuvor wird jedoch in einem geschichtlichen Abriss die  Entwicklung der Anlage aus Schaugarten, Wohnhaus und Gärtnerei von 1910 an geschildert. Der Bornimer Garten gilt nämlich als die erste Schau- und Lehranlage der Gartenkultur, als erster Studien- und Versuchsgarten.

Er war von Anfang an als „Garten der sieben Jahreszeiten“ angelegt, geplant als mehrteilige Anlage mit Senkgarten, Frühlingsweg, Naturgarten, Wohngarten (einer Rasenfläche, von Stauden und Bäumen gerahmt), mit Herbstbeet, Steingarten und Versuchsgarten für neue Züchtungen und Versuche. Der Senkgarten war kulturgeschichtlich der bedeutendste Teil der Gartenanlage und steht im Buch im Zentrum. Im Laufe der Jahre kam es zwar zu einigen Veränderungen und Sanierungen, doch im Rahmen der Bundesgartenschau Potsdam 2001 wurde er wiederhergestellt. Diese Maßnahmen werden ebenfalls im Detail geschildert.

 

 

 

Rundgang durch die Jahreszeiten

Anschließend an die farblich abgehobenen Seiten mit den Lebensdaten von Karl Foerster folgt das „Bornimer Gartentagebuch“. Hierbei geht es um die Erscheinung des Gartens in den sieben (!) Jahreszeiten. Die jeweiligen Leitpflanzen werden beschrieben und mit stimmungsvollen Fotos illustriert. Es gibt teils ausführliche Informationen zu einzelnen Pflanzengruppen, wie z.B. Rhododendren, oder Hinweise zu Sorten und Pflege, Rückschnitt und Kompostmischungen, zu Wühlmausplage und Schnecken und es geht auch um richtiges Wässern und perfekte Farbkombinationen.

Dem Vorfrühling (Foto li. oben) – mit Duftveilchen, Christrosen, Primeln, Bergenie, Zwiebelblumen – folgt der Frühling (Lungenkraut, Blaukissen, Sonnenröschen) - auf dem Foto oben ein Ahorn am Rand des Senkbeetes – ehe man im Frühsommer bereits einem ersten Höhepunkt zusteuert: Rosen und Rittersporne, Salbei und Funkien entfalten dann ihre volle Pracht. 

Der Hochsommer (Foto unten) trumpft mit Dahlien, Taglilien, Phloxen, Astilben und Sonnenbraut auf, im Herbst wird es dann farblich etwas gedämpfter, mit Ziergräsern, Sonnenhut, Herbstanemonen oder Sedum. Der Spätherbst produziert noch einmal ein schönes Farbenschauspiel (es geht hier zudem um den Rückschnitt von Pflanzen), während im Winter dann die Winterruhe von Farbtupfern wie Zaubernuss oder Felsenmispel unterbrochen wird.

 




   Herbststimmung in Foersters Garten

 

 

 


„Wer mit seinem Garten zufrieden ist, verdient ihn nicht.“

 

Karl Foersters Dreiklang der Farben ist ein weiteres (neu zugefügtes) Kapitel im Buch. Es geht um das  Prinzip „vom Ton zum Klang“, von der Einzelpflanze zur Gesamterscheinung, um die Zusammenstellung mehrerer Farben, um empfehlenswerte Dreiklänge. Eine Liste mit verschiedenfarbig blühenden bzw. belaubten Pflanzen der entsprechenden Farbgruppen ist zugefügt.

 

Die folgenden „Profi-Tipps der Chefgärtnerin“ - gestellt an die heutige Chefgärtnerin des Gartens, Kristina Scheller – bringen wenig Neues. Es geht vor allem um Bestand und Gegebenheiten von heute im Vergleich zu früher. Interessanter ist wieder das letzte Kapitel „Marianne Foerster, die Planerin“. Dieser Text würdigt die Tochter des großen Staudengärtners als eigenständige, talentierte Gartengestalterin und nennt auch tabellarisch ihre Lebensdaten und ihren Werdegang.

 

Der Besuch im Staudenparadies Foersters, im Bornimer Garten lohnt sich, und wer nicht selbst nach Potsdam reisen kann, hat Gelegenheit, ihn mit diesem schön aufgemachten Prestel-Buch kennenzulernen. Ideal zum Blättern, Foto-Ansehen und Lesen, anregend zum Neu-Planen und Recherchieren, macht der Band vor allem Lust, sich mehr mit den Foerster-Züchtungen zu befassen.

 

HINWEIS:

Die Staudengärtnerei Gaißmayer in Illertissen (www.gaissmayer.de) sei abschließend als Tipp für süddeutsche Gartenfans in Sachen Foerster-Züchtungen erwähnt. Gerade die Phlox-Auswahl ist hier riesig.

 

 ©Text: MB, Fotos: Prestel Verlag (aus dem Buch), Phloxe und Rittersporn sowie letztes Bild: MB (aus dem eigenen Garten).

 

Besuch im Metropolitan Museum


Patrick Bringley, All die Schönheit dieser Welt. 

Wie mir die Kunst dabei half, meine Trauer zu überwinden.

Verlag Allegria (Ullstein Buchverlage), Okt. 2023

320 Seiten Hardcover mit Schutzumschlag, 24,99 €, ISBN 9783793424321

Originaltitel: The Day Watchman - A Guard`s Search for Solace and Meaning at the Metropolitan Museum of Art. .Aus dem Amerikanischen von Jochen Winter.

 

 „The Met“, wie das Metropolitan Museum in New York City kurz genannt wird, ist ein Museum der Superlativen, ein weltweit einzigartiger Musentempel, die größte Kunstsammlung der westlichen Welt. 1870 hat eine Gruppe amerikanischer Geschäftsleute und Intellektueller die Sammlung ins Leben gerufen und ab 1880 entstand der zentrale Kernbau, bis heute das einzige größere Gebäude und Museum innerhalb des Central Park, mit repräsentativer Beaux-Arts-Fassade. 1926 war der Komplex fertig, im Laufe der Zeit wurde mehrfach um- und angebaut um die 36.000 Stücke aus der ganzen Welt, die rund 5000 Jahre Geschichte abdecken, unterzubringen. Sie verteilen sich auf insgesamt ca. 185.000 qm, auf vier Hauptetagen und 19 Abteilungen – z.B. American Wing, Asian Art, Arms & Armor, Egyptian Art oder Greek & Roman.

 


Es gibt hier alles. Bauten, wie der sehenswerte ägyptische Tempel der Dendur aus augusteischer Zeit, wurden komplett rekonstruiert. Ausgestellt sind aber auch bedeutende historische Gemälde wie das berühmte Porträt George Washingtons von Gilbert Stuart oder Emanuel Leutzes’ Gemälde „Washington Crossing the Delaware“, die auch den Autor begeistern. Außer Kunstwerken befinden sich im Met Waffen, Drucke, Fotos, Musikinstrumente, Möbel, Kostüme oder kuriose Stücke wie mehr als 200.000 Baseball-Sammelkarten.

 

Heilung im Museum

Patrick Bringley, vormals Journalist beim New Yorker, entschied sich nach dem Krebstod seines älteren, nur 26 Jahre alten Bruders, sein früheres Leben hinter sich zu lassen und bewarb sich als Museumswärter im Metropolitan Museum of Art. Er wird genommen und bleibt zehn Jahre. In dieser langen Zeit beobachtet er Tag für Tag die vielen Besucher des berühmten Museums einerseits, die Kunstwerke andererseits, und überwindet so seine innere Leere. Vor allem das Studium der Kunstwerke gibt ihm neuen Mut, durch den er allmählich seine Trauer bewältigt.

 

Große Eingangshalle des Museums mit Ticketverkauf

Bringley ist ein ruhiger Beobachter und gibt zugleich interessante Einblicke hinter die Kulissen eines der größten Museen der Welt. Er beschreibt wie die Rädchen in diesem Riesenmuseum ineinandergreifen, welche Rolle die Wärter (und andere) dabei spielen, wie die Schichten und Hierarchien ablaufen. Alles geht seinen Gang, jeder muss auf den anderen vertrauen können. Keine Missgunst, kein Neid, schlicht Toleranz und Nebeneinander unter den Wärtern. Diese sind gerne übersehene Figuren in schlecht sitzenden, dunkelblauen Anzügen, die lediglich nach WCs oder dem Standort der (natürlich nicht hier befindlichen) „Mona Lisa“ gefragt werden. Dabei überwachen sie mit Adleraugen die Kunstwerke und die Millionen von Besuchern pro Jahr. Stehen und Schuhverschleiß sieht Bringley zu Anfang als Problem, Wärter präferieren daher auch bestimmte Abteilungen wegen der Böden. Dafür steht dem Wärter fast das ganze Labyrinth an Gängen und Sälen, Räumen und Nischen offen, sogar an Montagen, wenn das Museum geschlossen ist und vor allem Kuratoren und Handwerker unterwegs sind.

 

Das Buch ist eine Museumschronik und ein Kunstführer, in dem es ausführlich um Sammlungen und Kunstwerke geht. Patrick Bringley geht durch die ihm als Wärter immer wieder neu zugeteilten Bereiche, macht sich vertraut und kürt seine Lieblingsstücke. Er hält „Zwiesprache“ mit den Objekten und lernt innezuhalten. Es ist ein abwechslungsreicher Job, zumal die Gruppe der Museumswärter  (männlich und weiblich) alles andere als homogen ist: Es ist ein Sammelsurium aus Künstlern, Musikern, einfachen Arbeitern, Immigranten, Aussteigern und Träumern, und ganz verschiedenen Schicksale, Geschichten, Ethnien und Einstellungen treffen hier aufeinander. Der Autor schließt Freundschaften und beginnt sich in der Museums-Welt wohl zu fühlen. Mehr und mehr schöpft er Kraft aus Kunstwerken, fängt an, sich Lieblingswerke in bestimmten Abteilungen zu notieren und Besucher zum Denken anzuregen und seine Euphorie weiterzugeben.

Alles im Fluss statt großer Action

Der Autor ist ein Neugieriger, ein Suchender, und das kommt in diesem Roman gut heraus. Es gibt keine „Action“, keine Super-Highlights, eher fließt die Schilderung über Ereignisse, Entdeckungen und Kunstschätze einfach so dahin. Dennoch: Man wird angeregt, das eine oder andere Kunstwerk dann doch nachzuschlagen. Dafür stellt der Autor auf über 30 Seiten am Ende des Buches seine Lieblingswerke vor, darunter z.B. der New Yorker Kouros im Bild rechts, mit Datierung und Inventarnummer sowie Anleitung, wie man die Werke im Museum bzw. unter www.metmuseum.org  (anhand der Nummer unter „Art“, „The Met Collection“) selbst finden kann. Ganz am Schluss gibt es dann noch eine ausführliche Bibliografie zu einzelnen Gattungen/Themenkreisen.

 

Heute lebt Bringley mit  Frau und Kindern in Sunset Park, Brooklyn, und bietet regelmäßig Stadt- und Museumsführungen, v.a. im Rahmen von Bowery Boys Walks an. „Whitman and Melville’s New York by Foot and Ferry“ ist eine weitere beliebte Tour mit Bringley. Er veranstaltet Lesungen und Diskussionen in Museen und Bibliotheken und genießt den Ruhm, den ihm sein erstes Buch,  All the Beauty in the World“, eingebracht hat. Es ist kein aufsehenshascherisches Buch, aber jeder Fan des Metropolitan Museums, jeder Museums- und Kunstfan überhaupt, sollte es gelesen  und vielleicht sogar als anregendes Nachschlagewerk in der eigenen Bibliothek haben.


• Infos: www.patrickbringley.com

Coverfoto: ©Verlag Allegria/Ullstein, übrige Fotos: ©Margit Brinke