STREET ART WELTWEIT - NAMEN, DIE MAN SICH MERKEN SOLLTE

 

©Prestel/V.Ballantine

Alessandra Mattanza, New Street Artists

24 Künstler:innen, deren Namen man sich merken sollte - Newcomer:innen in der Szene von Adelaide bis Paris, von Kopenhagen bis Sao Paulo

Hardcover, 240 Seiten, ISBN: 978-3-7913-8991-2, 36 €, Prestel Verlag München, 2023

 

In letzter Zeit sind viele Bücher über Murals und Graffiti,  Street Art und Street Artists erschienen. Auch in dem neuen Buch von Alesandra Mattanza geht es um Straßenkünstler. Sie gibt in dem großformatigen, schön bebilderten Band, der unlängst im Prestel Verlag erschienen ist, einen Überblick über die internationale Street Art-Szene mit Fokus auf die neuen Stars in Großstädten weltweit. Mattanza hat Werke von 24 Street Artists ausgewählt, die nach Meinung der Autorin das Zeug dazu haben, sich zu neuen Stars der Szene zu entwickeln (es manchmal allerdings schon sind).

 

 

Mattanza lebt in New York und ist Autorin, Drehbuchautorin und Fotografin. Sie hat bereits mehrerer Bücher zum Thema verfasst, darunter Street Art: Legendäre Künstler und ihre Visionen oder Street Art is female und Banksy (alle bei Prestel). Ebenfalls von ihr stammt Zu Hause in New York: 20 Prominente zeigen ihre Stadt (2015).  In sehr persönlichen Reportagen beleuchtet sie nun in diesem neuen Buch Hintergründe und Motivationen der Künstler:innen (so die Schreibweise im Buch!). Unter den Vorgestellten – über die Auswahl könnten Fachleute sicher diskutieren – befindet sich auch der deutsche Künstler Hendrik Beikirch, dessen großformatige, realistische und sehr ausdrucksstarke Schwarzweißporträts weltweit Gebäude zieren, der Pariser Künstler Ardif, bei dem Maschinen und Natur verschmelzen, Inti, der mit großen, farbenfrohen Wandbildern die moderne chilenische Gesellschaft kritisiert, und der Amerikaner Vince Ballentine, dessen Technik Elemente aus Rap und Hip-Hop verbindet.

 

©Hendrik Beikirch

 

Was ist Street Art?

Dazu findet man in der Einleitung Auskunft. Street Art findet ausschließlich im urbanen Raum statt, ist Teil einer Performance und öffentlich. Die gewählten Künstler:innen greifen aktuelle gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Entwicklungen auf und machen damit Street Art zu einer einzigartigen Kunstform. Die Stadt wird zur Leinwand, Architektur, Neighborhood und Menschen werden in die Kunst eingebunden und es findet eine  Interaktion zwischen Künstler und Öffentlichkeit statt.

 

Ein wiederkehrendes Thema sind die Auswirkungen der Technik auf Mensch und Umwelt, Natur, Flora und Fauna. Die Motivationen der Künstler sind unterschiedlich, reichen von Erfahrungen und Selbsterlebtem über Aktivismus, Engagement und Protest bis hin zu Emotionen und Gefühlen. Oft spielen der Glaube an Gleichberechtigung und der Kampf gegen Diskriminierung und soziale Ungerechtigkeit hinein. Die Kunstrichtung steht für Diversität, Freiheit und Unabhängigkeit sowie das Eintauchen in andere Kulturen.

 

Street Artists – eine Auswahl aus der Auswahl

©Adnate

Die Künstlerporträts sind alphabetisch angeordnet, der Hauptteil des Buches beginnt mit dem Australier Matt Adnate (rechts), dessen großformatige Porträts von Menschen Hochhausfassaden zieren. Bei dem Franzosen Ardif steht eine retro-futuristische Ästhetik im Zentrum, den Gegensatz zwischen «Fortschritt» und Veralterung in der Wissenschaft stellt er v.a. in Gestalt von janusköpfigen Tierfiguren dar. Vincent Ballentine ist längst ein großer Name in der New Yorker Szene. Der Afroamerikaner aus Brooklyn studierte Filmkunst und Animation, lebte u.a. in L.A. , und sieht Kunst vor allem als therapeutischen Zweck. Auch bei ihm stehen Porträts bzw. Menschen im Allgemeinen im Vordergrund.

 

 

© V.Ballantine

 

© Fnnch

Blesea steht hingegen für Popkultur. Der Franzose malt Zeichentrick-Figuren, Mangas und taucht in Fantasiewelten ein, schafft unterhaltsame Kunst. Ebenso lustig sind die Werke von Ella & Pitr, einem Künstlerpaar – sie Komödiantin, er Street Art-Künstler – aus Frankreich. Ihre ironischen, auf Reaktion abzielenden Bilder kennzeichnen ganz charakteristische Köpfe. Mit den amerikanischen bärenförmigen Honig-Plastikgefäßen wurde Fnnch (er bleibt anonym!) bekannt. Er kreiert "Popart" im Silicon Valley, mit Bärchen, die verschiedenste Charaktere verkörpern und die man z.B. auf den Straßen von San Francisco findet, aber auch mit anderen Pop Art-Motiven.

 

© Fin Dac
Der Ire Fin Dac betrachtet die Wand als Leinwand und schafft großformatige impressive Fassadenbilder, die ebenfalls leicht zu identifizieren sind: Er hat sich auf Porträts von asiatischen Frauen, fremd und sinnlich, mutig, selbstbewusst und elegant spezialisiert. Vielfach tragen die Frauen eine Art Maske vor den Augen. Gefragt nach seiner Motivation, gibt er an, dass es vormals kaum positive Darstellungen asiatischer Frauen gab, sie wurden im Allgemeinen als Kurtisanen, Geishas oder Dragon Ladies abgebildet. Auch bei Royyal Dog, selbst aus Südkorea stammend und in L.A. lebend, steht Multikulti im Mittelpunkt – jenseits der Grenzen von Ethnien und Nationen bildet er ein Mosaik der Menschheit ab. Gerne stellt er POC in traditioneller koreanischer Kleidung dar. 

 

 

 

 

 

©Royyal Dog

INTI – Inti Castro – hat chilenische Wurzeln und großes Interesse für amerikanische Ureinwohner, für Kulte und Rituale. Er ist bereits seit 1996 als Street Artist tätig und produziert weltweit. In seinen Bildern nutzt er die Ikonografie verschiedener Kulturen und schafft eine Verbindung zwischen den Welten.

 

Eine der nicht allzu zahlreichen Frauen in der Szene ist Danielle Fastrion. Sie arbeitete beim Kollektiv 5 Poointz Long Island City Queens mit oder auch beim Bushwick Collective. Sie wuchs in Brooklyn auf und sagt von sich "Ich möchte mich weiterentwickeln und immer besser werden" und einmal in aller Welt ihre farbstarken Frauenporträts zu zeigen. Im Werk einer weiteren Frau, Jacoba Niepoort , in Dänemark geboren, in Massachusetts aufgewachsen, steht der menschliche Körper im Vordergrund. Ihr Thema sind verschlungene Leiber, die sich über ganze Hauswände räkeln, häufig als Linienlabyrinth. Meist sind die Gesichter nicht klar erkennbar oder verdeckt, denn die Künstlerin möchte die Aufmerksamkeit darauf lenken, was Körper und Hände tun wenn sie miteinander in Beziehung treten.

© Brandan Odums

© Brandan Odums
Flora und Fauna sowie Surrealismus mit „romantischen Anklägen“ stehen bei den Australiern Scott Nagy & Krimsone im Vordergrund, sie fühlen sich als "multidisziplinäre Mural-Maler" und weniger als Street Art-Künstler. Im Bann der Farben stehend, ist es ihnen wichtig, Stimmungen zu erzeugen und Szenen lebendig zu machen. 

Wesentlich direkter wirken die Bilder von Brandan BMIKE Odums aus New Orleans. Sein Hauptmotiv sind (afroamerikanische) Kinder. Er hatte wesentlichen Anteil daran, dass Bywater, ein in der Vergangenheit eher wenig beliebtes (Industrie-)Viertel, neu belebt wurde. Er verbindet Kunst und Aktivismus, legt Wert auf klare, direkte Aussagen und leichte Verständlichkeit. Inspiration für ihn sind Fotografie und Musik.

 

Einen komplett andere Stil pflegt Okuda San Miguel: viel Farbe und geometrische Formen – ein Fest für die Sinne! Seine Murals sind ein Mosaik aus bunten geometrischen Formen, die sich zu Portäts, Tieren o.a. Motiven zusammenfügen. In Spanien geboren und beeinflusst vom Land, sind seine Kunstwerke farbenfroh und glücklich, reich an Natur und Kunst. Eines seiner Meisterwerke ist die Ausmalung der International Church of Cannabis in Denver (2017).

 

© TV Boy

© TV Boy

Auch TVBoy - Salvatore Benintende aus Palermo ist mit seinem „Neopop-Stil“ ein Unikum. Er übermittelt Botschaften,  indem er oft Persönlichkeiten der Vergangenheit, wie die Mona Lisa, und Berühmtheiten der Gegenwart, z.B. Politiker, zusammenbringt. TVBoy ist der Meinung, dass wahre Street Art illegal sein muss und schafft daher häufig auch schnelle Paste-ups, z.B. Make Peace not War mit Donald Trump und Kim Jong-un.

Unterschiedliche Stile, verschiedene interessante Charaktere, grandiose Werke sind in dem neuen Band zu entdecken und es macht Spass Künstler und Werke zu vergleichen, Parallelen zu ziehen und weiter zu recherchieren. Dieses Buch ist ein Hingucker und absolut sein Geld wert!

 

STORE FRONT NYC – schöne Fotos von New Yorker Fassaden

 

James & Karla Murray, Store Front NYC

Hardcover, 240 S., 200 Bilder,  ISBN: 978-3-7913-8964-6, 40 Euro, Prestel Verlag München - London- New York, 2023

 

Der Untertitel des Buches lautet "Photographs of the City's Independent Shops, Past and Present" und um die geht es: um unabhängige Läden, Lokale u.a. Betriebe, Mom & Pop Stores, Familienbetriebe, kleine Unikate. Okay, zuerst fühlt man sich an "NYC Storefronts" von Joel Holland und David Dodge erinnert, ebenfalls bei Prestel 2022 erschienen (s. https://travelingbookworms.blogspot.com/2022/09/nyc-storefronts-gelungenes-design-und.htm), allerdings handelt es sich hier um Zeichnungen während das neue Buch erstklassige Fotos von Store Fronts enthält.

 

 

©MB

"Every city has its own tale to tell..."

... so beginnt die Einleitung der Autoren – und New York hat natürlich viel zu erzählen. Die Autoren sind im Zusammenhang mit anderen Projekten im "Big Apple" herumgekommen und haben festgestellt, dass immer mehr kleine Läden verschwinden. Seit ihrem Buch "Store Front: The Disappearing face of New York" von 2008 sind in der Tat rund 80 % der dort abgebildeten Läden bereits verschwunden. Der nächste Band, "Store Front II: A History Preserved", von 2015, offenbart, dass seither erneut die Hälfte der Unternehmen schließen mußte. Dafür prägen immer stärker uniforme Kettenläden das Straßenbild, wobei die alten Läden so wichtig für die Neighborhood und die Community waren bzw. sind, speziell für die diversen Einwanderergruppen, die hier die vertrauten Lebensmittel und Speisen finden und ihre Sprache sprechen können.

 

Gegliedert ist das Buch nach geografischen Gesichtspunkten: Manhattan (Below 14th St., 14th to 59th St, Above 59th St.), The Bronx, Brooklyn (NE und Central, NW & Western, Southern), Queens (SW, N&Central) sowie Staten Island. Jede Neighborhood wird kurz zu Beginn der jeweiligen Kapitel mit Karte lokalisiert und beschrieben. Einleitend zu "Below 14th Street" lernt man z.B., dass Greenwich und East Villge, SoHo und die Lower East Side – diese wiederum unterteilt in NoLita, Little Italy und Chinatown – dazugehören, außerdem TriBeCa. Der jeweilige Charakter des Viertels wird kurz umrissen, z.B welche Bevölkerungsgruppen sich hier angesiedelt haben oder wie hier gebaut wurde. Am Ende des Buches gibt es einen alphabetischen Index der Store Fronts.

Noch da oder schon Geschichte?

Die Autoren machen zu Anfang klar, dass in dem Band auch Läden und Lokale vorkommen, die inzwischen geschlossen sind, aber als Ikonen gelten und daher aufgenommen wurden. Leider wird zu den Fotos zwar Objekt, Lage und das Jahr der Aufnahme angegeben, aber nicht, ob der Laden gegenwärtig noch existiert oder nicht. Wäre hilfreich gewesen, zumindest bei jenen, die schon seit Jahren geschlossen sind. Absolute Aktualität kann es natürlich nicht geben, dazu ist New York zu schnell veränderlich. Was heute noch floriert, kann morgen schon wieder weg sein.

 

    
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Aber andererseits macht es durchaus Spass, beim Blättern ein bisschen zu recherchieren, um herauszufinden, ob die Betriebe noch existieren. Speziell lohnend ist das bei solchen, die schon sehr antiquiert aussehen oder wirklich ungewöhnlich und daher interessant sind. Beginnen wir im Süden Manhattans: Die ersten zwei erwähnten, Pearl Paint und Ralph's, sind geschlossen. In der ursprünglich deutsch-jüdisch besiedelten Lower East Side gibt es jedoch noch Katz's Delicatessen, ebenso Kossar's und Russ & Daughters, Yonah Shimmel Knish Bakery, die Parkside Lounge oder Economy Candy. 

 

©Prestel, aus: "NYC Storefronts"  

 

Das ikonische Sammy's Roumainan Restaurant ist seit 2021 geschlossen. Sol Moscot in der Orchard Street ist umgezogen und hat ein moderneres Schild erhalten, wohingegen Orchard Corsets komplett aus der Zeit fällt. Globe Slicers, 266 Bowery, bedient immer noch Kunden mit Aufschnittmaschinen, fragt sich nur wie lange noch, denn gerade in der Bowery ist momentan viel im Umbruch. Mendel Goldberg Fabrics in der Hester Street von 1890 lädt zum Stoffkauf ein, Albanese Meats & Poultry (Foto links) ist noch da, ebenso viele der Traditionsshops in Little Italy: Vesuvio, Alleva, Piemonte, Caffé Roma, Di Palo's oder Rossi & Co.

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In Chinatown scheint der Wandel zurückhaltender, im Village fehlen hingegen wieder etliche Betriebe: z.B. CBGB und die alte Mars Bar, Love saves the Day, das Stage Restaurant oder De Roberti's. Village Cigars und Search & Destroy sind beständige Klassiker, die man gesehen haben muss und bei Porto Rico Importing sollte man einen Kaffee getrunken haben. Der einzigartige Chess Shop, vor dem immer Leute saßen und Schach spielten, ist seit 2012 geschlossen, ebenso Zito & Sons Bakery (2004). Das Stone Wall Inn steht als Teil des Stonewall National Monuments sogar unter Schutz. La Bonbonniere sollte man sich nächstes Mal ebenfalls unbedingt ansehen: Es ist kein Süßwarenladen, sondern ein Lokal! Wer zuviel gegessen hat, bekommt in der altehrwürdigen Bigelow Pharmacy, ebenfalls abgebildet im Buch, sicher ein Gegenmittel.

 


©Prestel/Murray

Ein Spaziergang durch die Viertel

Weiter nördlich gibt es La Taza de Oro nicht mehr, dafür aber Burger by Joe Junior in Gramercy und kurioserweise auch noch den 1932 gegründeten Schreibmaschinen-Laden "Gramercy Typewriter Co.". Der alte Stardust Diner am Broadway in Midtown ist noch da, wohingegen Esposito's Meat Shop, Howard Johnson's Restaurant & Bar und Manganaro's Grosseria Italiano in Hell's Kitchen weichen mussten. Überhaupt fällt auf, dass die schönen Store Fronts in Midtown vorwiegend zu Restaurants und Diners gehör(t)en, weniger zu Mom & Pop Stores wie in Downtown. Ein Unikat, das man beim nächsten Besuch nicht versäumen sollte, ist Kaufman's Army & Navy in Hell's Kitchen.

 

©Prestel/Murray

Der Norden Manhattans war u.a. deutsches Siedlungsgebiet und ein deutsches Relikt auf der Upper East Side war Glaser's Bake Shop - seit 2018 geschlossen; dafür gibt es noch jüdische Delis wie Barney Greengrass oder Murray's. Alteingesessene kleine, zweckmäßige, wenn auch nicht unbedingt schöne Läden und Lokale in Harlem sind vielfach verschwunden, die Gentrifizierung greift speziell hier um sich und die alten Etablissements mussten Ketten und Brandnames Platz machen. M&G Diner oder die Lenox Lounge (Foto oben) sowie etliche alte Barbershops sind Beispiele für den Exodus.

 

©Prestel/Murray
In der Bronx geht es vor allem um das reiche italienische Erbe und entsprechende Läden wurden im Bild festgehalten. Für Ravioli u.a. Pasta gibt's noch Borgatti's, während Riviera Ravioli zugemacht hat. Im Brooklyn-Kapitel weist allein der Zustand der Storefronten darauf hin, dass sie möglicherweise schon damals, als die Fotos geschossen wurden, zu waren oder kurz vor der Schließung standen. Hier findet man unter den abgebildeten kaum noch heute existierende Betriebe. Eine Ausnahme ist Gottlieb's Restaurant in Williamsburg (wobei dort solche Diners als "retro" gelten und schick geworden sind). Peter Pan Donut & Pastry existiert noch in Greenpoint, Teddy's Bar & Grill in Williamsburg, Caputo's Bake Shop in Carroll Gardens oder Luigi's Pizza in South Slope.

Erinnerungswürdige italienische Fassaden  

Im Süden Brooklyns gibt es große italienische (Bensonhurst) sowie osteuropäische/russische Gemeinden (Brighton Beach) und die wollen mit Fleisch versorgt werden, z.B. von Romeo Bros. Meats oder Landi's Pork Store. Stella Maris Bait & Tackle in Sheepshead Bay hingegen beliefert Fischer und Bootsbesitzer mit allem Nötigen. Queens' Ridgewood hat mit Morscher's Pork Store noch einen Laden zu bieten, der Leberwurst und Frankfurter führt und bei dem auf der Fassade steht: "Tischlein Deck Dich". Wie schon in der Bronx hat es auch in Brooklyn den Anschein, dass  italienische Läden die schöneren Lädenfassaden haben, viele davon sind im Buch versammelt. Pastosa Ravioli auf Staten Island passt ebenfalls in die Rubrik "italienisch".

 

©Prestel/Murray

James und Karla Murray sind Fotografen, deren Bilder schon in Museen und Galerien weltweit ausgestellt wurden. Sie sind seit Jahren auf Mission: Mit "Store Front. The Disappearing Face of New York", "Store Front II- A History Preserved" und "New York Nights" möchten sie die kleinen ungewöhnlichen Betriebe in New York, die am Schwinden sind, im Bild festhalten. In dem vorliegenden großformatigen Buch sind ihre aussagekräftigsten, schönsten  Aufnahmen zusammengestellt – alte und neue –, und man merkt, mit welcher Hingabe sich die Autoren den ausgefallenen Ladenfassaden mit ihren individuellen Schildern, Schriftzügen und Neon Signs gewidmet haben. Ein schönes Buch, das man als Geschenk für jeden New York-Fan unter den Christbaum legen könnte!

Kimchi und koreanische Küche


Ae Jin Huys, Kimchi

Gesunde koreanische Küche mit fermentiertem Gemüse

Prestel Verlag, München, 2022 (Penguin Random House)

Hardcover, 216 Seiten, 150 farbige Abb., 90 Rezepte

ISBN: 978-3-7913-8851-9, 26 €-

 

Die koreanische Küche kennt man landläufig bzw. wenn man nicht in einer Großstadt mit entsprechend vielseitigem kulinarischen Angebot lebt, meist nicht allzu genau. Vielleicht hat man sich schon mal über den lustigen Namen "Bibimbap" – gemischter Reis und somit vielfach eine Art Resteverwertung ­– amüsiert, eventuell verbindet man das Land auch mit Streetfood, oder es fällt einem "Kimchi" ein. Und speziell um Letzteres geht es in dem 2022 im Prestel Verlag erschienenen Buch. Aber nicht ausschließlich, genau genommen, steht die koreanische Küche im Allgemeinen, aber auch Traditionen, Religion, Kultur und Philosophie in Korea im Zentrum dieses im Prestel Verlag erschienenen Buches.

 

Das Land selbst? Liegt irgendwo zwischen China und Japan und ist geteilt in Nord und Süd seit in den 1950ern ein Krieg wütete. Seoul ist die Hauptstadt und dort gibt es sogar  Feinschmeckerlokale, die im Guide Michelin gelistet sind. Die Autorin des Buches, Ae Jin, stammt aus Südkorea und wurde als Waisenkind von einem belgischen Ehepaar adoptiert. Sie kehrte in ihr Geburtsland zurück, um die geliebte Küche und Kultur näher zu erforschen und einem breitere Publikum nahe zu bringen.

 


Eingeteilt ist das Buch in Basisrezepte, Kimchi-Rezepte und Kimchi-Gerichte sowie Koreanische Gerichte. Es ist kein Buch ausschließlich über Sauer-Fermentiertes, sondern ein Kochbuch der koreanischen Küche. Zwischengeschoben sind allgemeine Kapitel zur Ernährungsphilosophie, zum Gesundheitsaspekt, zur Fermentation, zu regionalen Kimchi-Varietäten und Vorlieben, aber auch allgemeiner zu koreanischen Gebräuchen, Traditionen, Festen, etc.

 

Für Koreaner ist die gemeinsame Mahlzeit wichtig und traditionell weder eine schneller Snack noch eine Mahlzeit, von der man im Nu satt wurde. Auf den Tisch kam eine nach verschiedenen Kriterien zusammengestellte Auswahl von Gerichten – in Synergie mit  Yin und Yang und basierend auf den Lehren des  Konfuzianismus. Eine koreanische Mahlzeit besteht aus Bap (gekochtem Reis), Guk (Suppe) und Banchan (Beilagen), unter denen Kimchi ein fester Bestandteil ist. Auf koreanischen Tischen sind immer viele Schälchen und Schüsselchen mit köstlichen Banchan zu finden. Von der Gewichtung her gilt: viel Gemüse, Hülsenfrüchte und Fisch und nur wenig rotes Fleisch, wenn dann zumeist Schweinbauch.

 

Zu Anfang des Buches geht es um die "Basics", um koreanische Würzmittel und Grundbrühen, um Pul (Reismehlbrei) und Bap (Reis). Es wird erklärt was "fermentieren" überhaupt heißt - nämlich, dass Lebensmittel mithilfe von Schimmelpilzen oder Hefebakterien einem Gärungsprozess, genauer einer Milchsäuregärung, unterworfen werden. Sorge für die Qualität und Wahrung der Traditionen trägt in Korea das  „World Institute of Kimchi“. Ursprünglich war Kimchi lediglich eine Methode, Gemüse über den Winter haltbar zu machen – man denke z.B. an Sauerkraut hierzulande –, wobei sich allerdings die koreanische Methode von Zubereitungsart, Ingredienzien wie Geschmack unterscheidet. Im Buch geht es ausführlich um die gesundheitlichen Vorteile von Kimchi, für Verdauung, Vitamhinhaushalt, Fitness, etc.


Der Schlüssel zur Kimchi-Herstellung ist das Vermengen geschnittenen Gemüses mit Marinade/Würzpaste, gefolgt von luftdichtem Verschluss im Glas und dunkler Lagerung für mindestens 24 Std. bei Raumtemperatur zur Fermentierung, bevor es in den Kühlschrank wandert und nach und nach gegessen werden kann. 24 Grundrezepte für Kimchi-Varianten mit vielerlei Gemüsesorten wie Rettich, Kohl, Lauch, Gurke, Aubergine oder Kürbis, Spinat, Frühlingszwiebeln oder mit dem an sich biederen Kohlrabi folgen Natürlich fehlt auch das klassische Chinakohl-Kimchi (das man am ehesten kennt) nicht, es wird z.B. mit einer   Marinade aus Gochugaru (Chilipulver), Zwiebel, Knoblauch, Ingwer, Fischsauce, Birne, Brühe und einer Prise Zucker hergestellt. Daikon-Rettich und Weißkohl oder Pakchoi eignen sich ebenfalls, eine erfrischendere (Sommer-)Version sind Wasser-Kimchis.

 

 

Rezepte von Kimchi-Gerichten folgen, interessante Kombinationen wie Kimchi-Teigtaschen (Mandu) in verschiedenen Versionen, gefüllte Zucchiniblüten mit Kimchi oder aber Kimchi-Schmortopf mit Bauch bzw. in einer veganen Variante mit Tofu. Nudeln (neben Reis ebenfalls beliebt in Korea) mit KImchi, Kimchi-Pfannkuchen oder Gebackener Reis mit Kimchi lassen einem das Wasser im Mund zusammenlaufen, aber auch abgewandelte "nicht-asiatische Gerichte" wie Pizza, Croque Monsieur oder Salsa können mit Kimchi aufgepeppt werden.


Den Abschluss des Buches bilden koreanische Gerichte, z.B. verschiedene Suppen mit handgeschnittenen Nudeln und Huhn, gebackene Glasnudeln, Gemüsepfannkuchen, Austern oder Seetangsalat, gepökelte Gemüse wie Bohnenblätter, das beliebte Bibimbap (Reis mit Gemüse), Reisbällchen, Pfannkuchen aus Buchweizen, Mehl oder Kartoffeln oder auch Fermentierte Sojabohnensuppe. Was auffällt ist, dass erstens kaum Fleisch zum Einsatz kommt und dass, zweitens, das Gemüse höchst schonend behandelt und innovativ zubereitet wird.

 



Kimchi ist ein Superfood, reich an Vitaminen, Ballaststoffen und Probiotika, Kimchi schmeckt gut und peppt einfache Zutaten auf. Ae Jin Huys ist es gut gelungen mit diesem stimmungsvoll bebilderten Buch theoretisch und praktisch in die Welt von Kimchi und traditioneller koreanischer Küche einzuführen.

 

 

 

TINY HOTELS. Kleine Quartiere für große Tage

 

So heißt ein nettes kleines Buch im praktischen quadratischen Format, fest gebunden, und für nur 9,95 Euro bei Prestel erschienen. Autor ist Florian Siebeck, ein Berliner Journalist, der von der Berliner Morgenpost über F.A.Z. und AD (Architectural Digest) für verschiedene Medien als freier Autor, v.a. im Online-Journalismus, tätig ist.

 


Florian Siebeck

Tiny Hotels. Kleine Quartiere für große Tage

Hardcover, Pappband, 224 Seiten

17x17 cm, 230 Fotos

ISBN: 978-3-7913-8671-3

Prestel Verlag München 2020

 

 

 


Central Hotel&Café, Kopenhagen
"Tiny Hotels" enthält eine exklusive Auswahl von 40 Unterkünften. Ein Auswahlkriterium ist die Geografie (über die ganze Welt verteilt): acht Unterkünfte befinden sich auf dem amerikanischen Kontinent, 20 in Europa, vier in Afrika, sieben in Asien und eines in Australien. Ein anderes Kriterium ist Exklusivität und Besonderheit. Wer einen ganz besonderen Hotel-Tipp sucht, ist hier gut bedient, vor allem Jene, die nach einer ultimativen, einmaligen, noch-nie-dagewesenen Übernachtungsmöglichkeit suchen (und vermutlich auch bereit sind, viel Geld auszugeben). Die meisten der genannten Plätze verfügen jeweils nur über wenige Zimmer, manche haben sogar nur eines zu bieten. Oft sind die Gebäude, in denen sie sich befinden außergewöhnlich oder die Chalets/Häuser/ Suiten oder Zimmer sind ganz besonders eingerichtet und gestaltet. Viele davon  bieten die Exklusivität der Einsamkeit, ohne auf Luxus und Hotelkomfort verzichten zu müssen.

 

Aufgebaut ist das Buch so, dass auf jeweils eine Textseite mit kleiner Lokalisierungskarte, mehrere Fotos von Innen und Außen, von Details und im Ganzen, folgen. Beschrieben werden oft auch die abenteuerlustigen, kreativen Besitzer/Betreiber der Unterkünfte, die das Besondere lieben ­– teils modern-schlicht, teils edel-elegant, immer klein und ausgefallen.

 

Caldera House, Teton Village USA
Beispielsweise wird das Hotel Covell in Los Angeles, ein beschauliches Boutiquehotel mit neun Zimmern, die "Kapitel" genannt werden, und von denen jedes anders gestaltet ist. Das Caldera House steht im Grand Teton National Park (Teton Village) und ist ein großzügiges Chalet mit acht Suiten von je mindestens 140 qm und viel modernem Understatement. Zehn Suiten stehen in der ehemaligen Villa von Gianni Versace (er wurde 1997 dort erschossen) Gästen zur Verfügung. In der Villa Casa Casuarina in Miami Beach/USA sind die  Extrovertiertheit, Glanz und Glamour des vormaligen Besitzers noch deutlich spürbar.

 

Robins Nest Baumhaus
Kontrastprogramm an der Küste von Chile, direkt am Sandstrand, im Hotel Alaia mit zwölf Suiten. Das Gebäude duckt sich in ein Naturschutzgebiet, die Möbeln stammen von lokalen Handwerkern. Alle Bungalow verfügen über Außenterrassen und direkten Pazifikzugang und ein Slow-Food-Restaurant gehört ebenfalls dazu. Sehr ungewöhnlich ist auch Le Collatéral in Arles: vier Zimmer hinter mittelalterlichen Mauern, die einmal als Kirche fungierten, mit Salon und Bibliothek, alles eher minimalistisch-schlicht. Das ganz besondere Übernachtungserlebnis bieten zwei Hirtenwagen in Piercebridge/GB (The Hut B&B), aber auch Robins Nest Baumhaushotel in Witzenhausen (fünf Baumhäuser, eine Blockhütte) und zwei weitere Baumhäuser in Arlena di Castro in Italien (La Piantata). Alternativ gibt es dort auch Zimmer und Apartments.

 

 

 

 Großes Himmelskino gibt's im Norden von Norwegen, in der Arktis, auf einer kleinen Insel in einem Leuchtturm. Litloy Fyr hat drei Zimmern und eine Suite zu bieten – einsamer und grandioser geht es fast nicht mehr! Der Turm ist übrigens auch auf dem Buchcover abgebildet. 


Litloy Fyr - Übernachten im Leuchtturm

Tainaron Blue, ein alter Wehrturm in Mani/GR

Das One Room Hotel in Prag bietet durch die Fensterwand Topausblick auf die Stadt, die Villa Antoinette nahe Wien das Flair einer traditionellen Sommerfrische und der Palazzo Bozzi Corso in Lecce/Apulien lässt einen an Goethes Italienische Reise denken. In Mani/Griechenland stehen drei Suiten in einem alten Wehrturm (Tainaron Blue) zum Übernachten zur Verfügung und in Vora auf Santorin wurden wurden drei Villen aus dem Vulkafels gehauen, alle mit unverstelltem Blick aufs Ägäische Meer.

 

 

Die Giraffe Manor (12 Zimmer) trägt ihren Namen zu Recht: Das Herrenhaus steht auf dem Grund eines Auswilderungsprojektes für Rothschild-Giraffen, am Rand von Nairobi/Kenia,  und auf dem Weg zum nahen Nationalpark schauen hier tatsächlich regelmäßig Giraffen vorbei. Die Shipwreck Lodge in Namibia heißt so wegen der Art der Holzkonstruktion der zehn Chalets. Diese sind höchst luxuriös ausgestattet und liegen direkt an der "Skelettküste". 

 

Wie Schiffswracks, nur viel komfortabler: die Shipwreck Lodge in Namibia

 

Pumphouse Point
In Bhutan, dem letzten Königreich im Himalaya, in einem üppig grünen Tal, befindet sich Como Uma Punaka: ringsum die neun Zimmer und zwei Villen unberührte Natur und zur weiteren Entspannung ein Spa. Noch einsamer: Pumphouse Point in Tasmanien, mit 12 Zimmern auf dem See und sieben an Land. Am Ende eines langen Stegs wohnen Gäste in einem Art-déco Gebäude auf dem Lake St. Clair, umgeben von unberührter Gebirgswelt mit Wäldern und Stränden.

 

Zu Land (hier) oder auf dem Wasser: Zimmer des Pumphouse Point ©Adam Gibson
Das Trunk (House) in Tokio im traditionellen Geisha-Viertel Kaguarzaka vereint Tradition und Moderne aufs Perfekteste. In diesem Haus-Hotel mit Innenhof kommen werden die im Esszimmer servierten Mahlzeiten von einem Privatkoch zubereitet.

 

Im Anhang des Buches werden in alphabetischer Anordnung die Adressen und Webseiten zu den einzelnen Unterkünften angegeben. Man hätte sich vielleicht dazu noch wenigstens grobe Anhaltspunkte zu den Preisen der genannten Herbergen gewünscht. Ansonsten, es kann losgehen, Frage ist nur noch: Baumhaus oder Insel?

 

©Fotos: Prestel Verlag München 

©Text: Dr. Margit Brinke