Ein Haufen Dollarscheine



Esther Dischereit

Ein Haufen Dollarscheine – Roman

Maro Verlag Augsburg

312 Seiten, Umschlag Beate Maria Wörz

Hardcover ISBN  978-3-87512-676-1 24 €

 

Der Roman von Esther Dischereit war nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse 2025, der am 27. März 2025 vergeben wurde. Zwar gewann eine andere Autorin, Kristine Bilkau mit „Halbinsel“, den Preis, doch „Ein Haufen Dollarscheine“ ist auch ohne Auszeichnung ein interessanter, zum Nachdenken anregender Roman.

 

Nein, es ist kein „einfach“ zu lesendes Buch, sicher kein „Easy-Reading“: »Ein Haufen Dollarscheine« schildert ein etwas verschrobenes Familien­szenario, spinnt eine verwirrende Geschichte mit ständig wechselnden Personen und Orten. Die Hauptakteure gehören zu einer Großfamilie, die zerstreut in der ganzen Welt lebt: in Berlin, ­Chicago, ­Heppenheim, Rom und anderen Orten, die im Anhang in einem Verzeichnis (ebenso wie die vielen, großteils anonymen Personen) gelistet werden. Es geht vor allem um die Tante in ihrem blumengemustertem Kleid, die in der Flug­hafenlounge Kekse in die Tasche stopft und der Vergangenheit nachhängt.

 

Die Autorin Esther Dischereit lebt in Berlin. Sie schreibt Prosa, Lyrik und Essays und ist Autorin von Theater- und Hörstücken vorwiegend zu jüdischen Themen. Sie gilt als eine der wichtigsten Stimmen unter den Nachkommen der Shoa-Überlebenden in Deutschland. Dischereits Erzählweise ist weder chronologisch noch linear, eher assoziativ und formlos, sie spielt mit Eindrücken und Gefühlen und gibt Denkanstöße.

 

Die Autorin (©Wikimedia Commons)

Geschildert wird die Geschichte einer jüdischen Familie im weitesten Sinne, erzählt aus unterschiedlichen Perspektiven, wobei thematische und auch biografische Fragmente verschiedenster Art eingeflochten werden. Es ist eine etwas absurde Geschichte mit ernstem Hintergrund, getragen von zwei Figuren, die namenlos bleiben und im Wechsel erzählen: Die Mutter und die „Tante“. Und dann wären da noch deren Neffen. Ein Neffe ist der Sohn der älteren Schwester der Erzählerin, die den Holocaust mit ihrer Mutter im Versteck überlebt hat.

 

Der Roman schildert halb dokumentarisch, halb fiktional das Nachleben von Shoa-Überlebenden, den Konflikt, in dem sie sich bis heute befinden, die unterschiedlichen Identitäten, die sie annehmen. Unrecht aller Art, Heuchelei, Erbschleicherei und behördlichen Schikanen, sogenannte Wiedergutmachungszahlungen, nicht-entschädigte Zwangsarbeit, aber auch innerjüdische Machtpolitik und jüdische Bankdepots, die vor dem Krieg angelegt wurden, kommen zur Sprache. Es geht um den Konflikt zwischen Voll-, Vaterjuden, Halbjuden, Vierteljuden und um die zwanghaftige Rechtfertigung, die von Juden erwartet wird: Wer ist Befreier, wer Unterdrücker? Arisierung als „normal“ zu betrachten ist illegal.

 

Der Titel „Ein Haufen Dollarscheine“ bezieht sich auf die die lose aufgehäuften Episoden und Gedankengänge, aber auch auf Bankdepots, Erbschaften und Wohlstand, und ist ein äußerst lesenswertes Buch.

 

Infos: www.maroverlag.de/prosa/282-ein-haufen-dollarscheine-9783875126761.html