Das Dirndl - nur Mode oder Kleidungsstück mit Tradition?

Am 19. Oktober ging die Dirndl-Ausstellung „Tradition goes Fashion“ im tim, dem Staatlichen Textil- und Industrieuseum Augsburg, zu Ende, und sie hat viele Besucher angelockt. Was bleibt, ist der kulturwissenschaftliche Begleitband zur Dirndl-Ausstellung, der kurz vor Start des Münchner Oktoberfests erschien:

 

Dirndl – Mode – Geschichte 

Studien zur Historie und Praxis eines wandelbaren Kleids

Michaela Breil, Sophie Buscher und Karl Borromäus Murr (Hrsg.)

ISBN 978-3-9821727-6-7, 24,90 Euro

Staatliches Textil- und Industriemuseum Augsburg (tim), Sept. 2025

Erhältlich im Museumsshop des tim, online unter kasse@timbayern.de sowie im Buchhandel

 

Um das Dirndl als höchst beliebter modischer Alleskönner, um seine unglaubliche Anpassungsfähigkeit und um die kulturgeschichtliche Entwicklung, darum geht es in insgesamt 20 Beiträgen von Kulturwissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in dem 148-seitigen, reich bebilderten neuen Buch. Autorinnen und Autoren sind u.a. Sophie Buscher, Kunsthistorikerin, Museumsleiter K.B. Murr und Kuratorin und stellvertretende Museumsleiterin Michaela Breil.

 

 

Zurück zum Oktoberfest und dem "Dirndl-Phänomen": Tatsache ist, dass die Wiesntracht erst seit etwa der Jahrtausendwende zu beobachten ist. Sie ist jedoch mittlerweile zum festen Kleidercode auf Volksfesten geworden. Dirndl oder Lederhose sind heute "Pflicht", alpenländische Färbung bedeutet Zugehörigkeit. Doch wie kam es zu der "Historisierung des Dirndls" und zu der großen Popularität in der Gegenwart?

 

©B.Rampf/tim

"Tradition goes Fashion"

Das Dirndl steht für bayerische Tradition, Geschichte und Handwerkskunst und ist heute ein modisches Statement: "Tradition goes Fashion". Die wechselvolle Entwicklungsgeschichte des Dirndls, seine Ursprünge, politischen Vereinnahmungen und spannenden Neuinterpretationen durch junge Designer/innen sind Themen, mit denen sich die Fachleute in dem Band beschäftigen.

 

©MB
Die Geschichte des Dirndls vom 19. Jh. bis zur Wiesntracht, das Wallach-Dirndl – ein von Gebrüdern jüdischer Herkunft um 1900 in München gegründetes florierendes Unternehmen  –, der Tiroler Look oder die berühmte Trachtenzeichnerin Margarete Hein kommen zur Sprache. Das "Dirndl als Festtagsmode" am Beispiel des Augsburger Plärrers, und einzelne Designer wie Gössl, Lola Paltinger, Noh Nee oder Policarpo sind weitere Themen. Fast schon exotisch erscheinen japanische Kimono-Dirndl und afrikanische Sari-Dirndl, aber auch einige Kooperationen mit modernen Modemachern. Die politische Vereinnahmung des Dirndls, etwa von den Nazis, wird beleuchtet, aber auch die Dirndl, die zu den Olympischen Spielen 1972 von Otl Aicher designt wurden und zum  "Markenbotschafter Bayerns“ wurden.

 

©B.Rampf/tim

Das Dirndl als "erfundene Tradition"

Die Begriffe "Dirndl" und "Tracht" werden heute meist synomym verwendet. Dabei ist das Dirndl eines der wenigen Kleidungsstücke in der Kostümgeschichte, das quasi von unten in höhere Gesellschaftsschichten aufgestiegen und daher ein demokratisches Gewand ist. Entgegen landläufiger Meinung, handelt es sich beim Dirndl jedoch um keine "alte", lang hergeleitete Tradition, sondern vielmehr um eine "erfundene Tradition". Im Biedermeier soll ein "ländliches Kleid", ein Sommerkleid des „Sommerfrische“-Publikums, den Höhenflug des Dirndls eingeleitet haben. Auf einem Gemälde von W. Kandinsky, wird seine Partnerin Gabriele Münter 1909 dann in Frauentracht gezeigt. Im Laufe des 20. Jh. wurden Dirndl und Lederhosen dann enger mit Bayern verknüpft, verstärkt durch eben jene hellblauen Münchner Olympiade-Dirndl 1972. 

 


©C.Jorda/tim
Anfang der 2000er-Jahre verursachten die Medien einen Hype und Stars wie Regina Sixt (Damenwiesn), Paris Hilton oder Kim Kardashian zeigten sich plötzlich im Dirndl auf der Wiesn. Seither ist Dirndl zum "Lebensgefühl“ geworden, zum Bindeglied von Tradition und Moderne, Vergangenheit und Gegenwart, Land und Stadt. Es hat jedoch nichts mit den alten historischen Trachten, die sich je nach Landstrich unterscheiden, zu tun, sondern ist ein relativ modernes Statement.

 

Fest steht, jede Frau, die ein Dirndl im Schrank hängen hat, sollte sich dieses Buch anschaffen und studieren wie es um den "alten Mythos" steht. Für alle Anderen ist der Band ebenfalls höchst informativ und eine Bereicherung im Bücherregal.

 

> Infos: www.timbayern.de 

 

Text ©MB

Fotos ©tim/MB

 

 

Brooklyns Dean Street - eine Gesellschaftsstudie von Jonathan Lethem

 

Jonathan Lethem

Der Fall Brooklyn

Roman Hardcover, 26,00 €

Aus dem Amerikanischen von: Thomas Gunkel

1. Auflage 2025, 448 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag

ISBN: 978-3-608-50244-2

Klett-Cotta-Verlag Stuttgart

 

 

Es geht um die Dean Street in Brooklyn, die sich knapp 5 Meilen lang vom Viertel Brooklyn Heights nahe der Waterfront (East River) im Westen bis Broadway Junction im Osten, hinzieht. Genauer gesagt, in dem Roman geht es um den Abschnitt in Boerum Hill, begrenzt durch die Schermerhorn Street im Norden, die 4th Ave. im Osten, Smith und Court St. im Westen und mit Warren oder Wyckoff Street als Südgrenze. Das sehr feine "Brooklyn Heights" liegt im Nordwesten, im Süden erstreckt sich hingegen Gowanus, und hier grenzen die massiven Wohnblöcke der Ärmeren, die "Projects" oder Sozialwohnsiedlungen, an. Im Norden der Smith Street siedelte einst die Mohawk Indian Community aus Quebec/Kanada, jene schwindelfreien Arbeiter, die beim Wolkenkratzerbau arbeiteten. Auch auf sie kommt Letham zu sprechen.

 

Im Kern des Viertels überwiegen dreigeschossige Reihenhäuser, die zwischen 1840 und 1870 entstanden sind. "Hill" ist übertrieben: Das Areal ist eher flach und auch der Name eher willkürzlich gewählt: Er leitet sich von Henry Boerum, einem Holländer aus Long Island, ab. Noch bis um die Wende zum 21. Jh. war das Areal großteils von Arbeitern und Mittelklasse-Familien, v.a. Afroamerikanern und Puertorikanern, besiedelt. Dann schlug die Gentrifizierung zu und veränderte das Neighborhood komplett, machte es zu einem "upper-class"-Viertel. Der Begriff Gentrifizierung, um den es im Buch immer wieder geht, beschreibt, wie Banken und Immobilienmakler ein Viertel zu Veränderungen zwingen – Veränderungen, die die Bewohner hoffen, im Griff zu haben.

 


Die "Brownstoner", die im Viertel leben stammen nach Worten Lethams "...aus Idaho, Manhattan, Pittsburg, Frankreich. Von überall außer Brooklyn. Sie haben keine Ahnung, wo sie gelandet sind.... Da sind Doktoranden, radikale Organisatoren, Quäker, da sind Maler und Schriftsteller, jüngere Schwule, die aus Brooklyn Heights herüberschwappen... Sie bilden Bündnisse und Gegenbündnisse... pflanzen viele Bäume.... Jeder Einzele von ihnen hat schon mal Pot geraucht... ".

 

Mehr als nur eine Straße

Für Autor Jonathan Letham ist die Dean Street in Brooklyn jedoch mehr als nur eine Straße. Er wuchs hier auf und stellte seine eigenen Beobachtungen an. Hier treffen reiche, verwöhnte Kids auf Jungs aus der "Hood", hier gibt es große Verbrechen und kleine Gaunereien, teils am hellichten Tag. Geld und Macht, Gewalt und Raffinesse, rivalisierende Gangs, die sich streiten, wer in der Straße Hockey spielen oder skaten darf, treffen hier aufeinander.


Jonathan Lethem erzählt die wechselvolle Geschichte einer der heute hippsten Straßen New Yorks. Er springt in den einzelnen Kapiteln in verschiedene Zeiten, beobachtet die Geschehnisse, Kleinkriminalität, Rassismus, Gentrifizierung aber auch die "normale Welt". Seine Figuren haben keine reellen Namen, sie bleiben anonym und tragen nur Spitznamen. Es gibt die "Schreierin" oder den "Schlüpfer", den "Kotelettenmann"  oder – benannt nach einer (noch existierenden) Bar – den "Brazen-Head-Schwätzer". Ins Deutsche übersetzt, klingen die Namen manchmal etwas künstlich, während es im Englischen z.B. mit "Mr. Clean", "The Wheazer" oder "The Screamer" besser passt.

 

Wichtig ist Letham die Interaktion, die Art und Weise, wie Menschen einander wahrnehmen, sich in einem bestimmten Umkreis verhalten. In welche Kategorien ordnen sie sich ein: nach Hautfarbe, Beruf, Alter, Verhalten... Und, es geht immer wieder um Gentrifizierung, um den Alltag in der Grenzzone zwischen Reich und Arm, um unsichtbare Gesetze und Strukturen.

 

Großer Literat aus Brooklyn

Jonathan Lethem wurde 1964 in New York geboren und ist Autor zahlreicher Romane, darunter die Brooklyn-Romane "Motherless Brooklyn" und "Die Festung der Einsamkeit". Letzteres ist eine traditionelle Coming-of-Age Geschichte. Darin geht es um ein Kind,  das schaut, lernt und Erfahrungen aufnimmt, versucht, sie einzuordnen und zu verstehen. Im "Fall Brooklyn" wird der Blickwinkel nun vergrößert.

 

Das hier vorgestellte Buch liest sich zunächst etwas ungewohnt: Die Kapitel sind durchnummeriert, die Überschriften wirken oft mal seltsam, z.B. "43. Der Fall Boerum (im Stil des 21. Jahrhunderts)", darunter steht jeweils der betrachtete Zeitpunkt oder -raum. Der ganze Roman erinnert ein wenig an ein Filmdrehbuch. Allerdings ein sehr interessantes, zumindest für alle die an Brooklyn, die Dean Street und, vor allem, an Gesellschaftsstudien interessiert sind.

 

Für sein Werk erhielt Letham zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a. den "National Book Critics Award", "Gold Dagger" und "MacArthur Fellowship". Lethem lehrt am Pomona College in Südkalifornien Creative Writing und lebt mit Familie in Kalifornien.
• Mehr Infos unter: www.jonathanlethem.com

Hängende Dächer und Formen aus der Natur

Frei Otto. Bauen mit der Natur

Hardcover, Pappband, 256 Seiten, 24,0x28,7cm

Prestel Verlag München, 2025

ISBN: 978-3-7913-7749-0

59 €

 

Um es gleich vorwegzunehmen: Dies ist ein Buch für Architekturfans und für Spezialisten, keine leichte Lektüre zum Blättern auf dem Sofa. Anlässlich des 100. Geburtstags am 31. Mai 2025 im Prestel Verlag München erschienen (Hrsg. Anna-Maria Meister und Joaquín Medina Warmburg), geht es um Leben, Werk und Wirkung eines der bedeutendsten und einflussreichsten Architekten des 20. Jahrhunderts, Frei (Vorname) Otto (Nachname).

 

Ottos visionäre Arbeiten wie auch seine Vorstellungen und Ideen, Philosophien und Hintergründe werden in dieser Publikation in ganzer Bandbreite vorgestellt. Naturbegriff, Naturbilder und Naturprinzipien, die ihn beeinflussten und seine Entwürfe und Bauten prägten, stehen im Vordergrund. Ottos bahnbrechende Pionierleistungen auf heute aktuellen Gebieten wie umweltbewusstes Bauen, Bauen mit der Natur oder Bionik, werden an prägnanten Beispielen demonstriert. Sein oberstes Ziel war es, mit minimalem Einsatz von Material, Fläche und Energie lebenswerte, menschliche Räume zu schaffen und Impulse für ökologisches, humanes Bauen zu geben. Sein ganzheitliches Naturverständnis und seine Neuinterpretation des Verhältnisses von Natur, Technik und Kultur sind der rote Faden des Buches.

 


 

„Das hängende Dach“

1925 in Siegmar/Sachsen geboren, hat Otto den ungewöhnlichen Vornamen seiner Mutter und deren liberaler Gesinnung zu verdanken. Sie war, wie der Vater, Mitglied im Deutschen Werkbund. Vater und Großvater waren Bildhauer, der Sohn studierte nach Wehrdienst und französischer Kriegsgefangenschaft an der TU Berlin Architektur, dann Soziologie und Städtebau an der University of Virginia. In den USA begegnete er auch erstmals Architekturgenies wie F.L. Wright, Eero Saarinen, Mies van der Rohe oder Richard Neutra. 

 

1952 eröffnete Otto in Berlin-Zehlendorf ein eigenes Architekturbüro. Stark beeindruckt hatte ihn ein Modell der Dorton Arena in Raleigh/NC, das erste große Bauwerk mit sattelförmig geschwungenen Dach und aufgehängtem Seilnetz. Er schrieb über diese neue Bautechnik, „Das hängende Dach“, seine Doktorarbeit. Zahlreiche Preise und Ehrungen, posthum nach seinem Tod 2015 auch der Pritzker-Architekturpreis, waren Anerkennung für seine Leistungen.

 


Otto gilt als Pionier ökologischer Architektur und als Wegbereiter einer „menschlichen Architektur“. Er nahm seine Vorbilder aus der Natur. Vor allem wurde er jedoch als Schöpfer genial leichter, zeltartiger Konstruktionen bekannt, sogenannter leichter Flächentragwerke. Sein Herz schlug für den Leichtbau mit Seilnetzen und Gitterschalen. Zudem war er ein Vertreter der organischen Architektur und stellte sich damit in eine Reihe mit Richard Buckminster Fuller oder Santiago Calatrava.

 


Der Deutsche Pavillon der Expo in Montreal 1967 oder das Dach des 1972 eröffneten Olympiastadions in München (Foto unten), in Zusammenarbeit mit Günter Behnisch, sind Beispiele seines Schaffens. Wandelbare Schirme für die Konzerttournee von Pink Floyd 1977 in den USA (Foto oben) und 1990 die Ökohäuser in Berlin (ganz unten) sind andere bekannte Werke des Architekten. Frei Otto war Berater für das Projekt Stuttgart 21, er war für die „Lichtaugen“ – tropfenförmige Oberlichtöffnungen („Kelchstützen“) auf den Bahnsteigen – zuständig. Dabei fungierte Otto meist nur als „Ideengeber“ – die meisten Gebäude entstanden in Kooperation mit anderen Architekten.

 

©WikimediaCommons

 

Natur, Technik und Gesellschaft

Das Buch zum 100. Geburtstag und zum 10. Todestag soll den Architekten, Konstrukteur und Forscher würdigen.  Dies geschieht in einer Reihe von neun Essays zu drei Themenbereichen: Natur, Technik und Gesellschaft. Diesen voraus gehen ein Fototeil und ein Vorwort.

 

Der erste Bereich heißt „NATUR – Biologie, Ökologie, Klima“ und es geht um Ottos Entwicklungsstätte für den Leichtbau in Berlin 1959, um Projekte wie die Evangelische Kirche in Berlin-Zehlendorf 1959-63, sein eigenes Haus und Atelier in Warmbronn 1966-71. Die Natur als Baumeister, Klimahüllen und neue Luftarchitektur sindweitere Themen, die angesprochen werden.

 

„TECHNIK - Konstruktionen, Methoden, Formen“ befasst sich mit den „großen“ Otto-Bauten, dem deutschen Pavillon auf der Expo 67 in Montreal, den Münchner Olympischen Sportstätten 1968-72 oder der Multihalle in Mannheim (1975). Ottos leichte Konstruktionen und Dächer, die Art und Weise, wie er den Weg zum Leichtbau mit Zelten und Membranen ebnete, werden näher beleuchtet. Während einer Gastprofessur in St. Louis/USA hatte Otto 1958 Richard Buckminster Fuller kennengelernt, einen Protagonist des Leichtbaus. Mit diesem einte ihn die Absicht, mit geringstem Material- und Energieaufwand maximale Effizienz zu erzielen. Otto war besessen von Modellen und Modellstatik und das auch noch nachdem in den 1970ern digitale und rechnerische Methoden aufkamen. Der philosophische Ansatz Ottos und die Kluft zwischen Natürlichem und Künstlichem kommen in einem anderen interessanten Essay zur Sprache.

 

Das dritte große Kapitel lautet „GESELLSCHAFT– Ethik, Partizipation, Netzwerke“. Wissenschaftler beschäftigen sich hier zum Beispiel mit seiner Projektstudie „Stadt in der Arktis“ von 1971 und mit seinen  Ökohäusern in Berlin, die 1980-91 entstanden (Foto unten) und bemerkenswerte Lebensqualität boten. Die Überwindung gesellschaftlicher und ökologischer Grenzen zeigen die beiden realisierten Entwürfe am Tiergarten und am Askanischen Platz. Andere Themen sind die Materialexperimente von Frei Otto und seine Architekturlehre. Otto als Pädagoge – er hielt verschiedene Lehraufträge an amerikanischen Universitäten inne – kommt ebenfalls zur Sprache.

 

Den Abschluss des Buches bilden eine Biografie, eine Vorstellung der am Band mitwirkenden Autorinnen und Autoren und ein Abbildungsverzeichnis. Man lernt viel bei der Lektüre dieses Prestel-Bandes, muss allerdings auch bereit sein, sich in ein nicht ganz einfaches Thema zu vertiefen.

 

Text ©MB

Fotos ©PrestelVerlag / WikimediaCommons

KUNST UND NATUR - NOLDES GARTEN IN SEEBÜLL

 

Magdalena Moeller, 

Der Garten von Emil Nolde

Prestel Verlag München, 2025

Hardcover, 176 Seiten, 29 Euro

ISBN: 978-3-7913-7777-3

 

 

Ein Fest für Augen und Seele

Natur und Kunst im Garten von Emil Nolde in Seebüll ist das Thema dieses neu im Prestel Verlag erschienenen Bandes. Die Kunsthistorikerin und Fotografin Magdalena M. Moeller beschäftigt sich mit der Geschichte dieses Künstlergartens, mit dem Einfluss auf Noldes Werk und dessen Liebe zur Natur, vor allem aber mit dem Garten im Jahresverlauf. Reich bebildert mit Fotos und Reproduktionen von Noldes Werken, regt der Band sowohl Kunstfreunde als auch Hobbygärtner zum Lesen und Durchblättern an.

 

Künstlergärten gab es viele, z.B. ließen sich auch Liebermann, Monet oder Renoir von der Natur inspirieren. Auch Emil Nolde (1867-1956) verband Malerei und Gärtnerei, holte sich Anregungen von Farbenpracht und Blütenfülle für seine Blumengemälde und Aquarelle. Der Garten, heute Teil des Nolde Museums, liegt in Seebüll, in Nordfriesland, fast schon an der Grenze zu Dänemark. Das Ehepaar Emil und Ada Nolde hatte sich hier ab 1926 auf einer Warft, einem aufgeschütteten Hügel inmitten eines Marschgebiets, niedergelassen.


Vorausgeschickt wird dem Buch ein Plan des Blumengartens (der aber mehr ist als nur das!). Er schließt sich im Südwesten des Wohnhauses/Museum an, begrenzt durch die Gruft des Ehepaars am anderen Ende des Geländes, wo sich auch der Eingang befindet. Es gibt Insel-, Hügel-, Balken- und Kastenbeete, solche für Wildrosen, Tulpen oder Rudbeckien, und dazu Baumbestände – Laubbäume, aber auch Apfelbäume und Stachelbeeren.

 

Entstehung eines Künstlergartens

 

Die Geschichte von Emil Noldes Garten in Seebüll gibt Informationen darüber, wie die Noldes ans Werk gingen. Von Utenwarf, wo das Ehepaar 1914 ein baufälliges nordfriesisches Backsteinhaus erworben hatte, zog man 1926 ins nahe Seebüll, und legte nach dem Atelierbau gleich den Garten an, noch ehe das Haus bezugsfertig war. Die Gartenplanung erwies sich zunächst aufgrund der Gegebenheiten als schwierig, doch die Buchstaben A und E – für Ava und Emil – für die Beetformen brachten dann die Initialzündung. Als problematisch erwiesen sich der schwere Marschboden, der zu Verdichtung neigte, und die harschen klimatischen Bedingungen. Entwässerung war nötig, außerem Windschutz und Beachtung der Mikroklimate. 

Nolde führte Buch über Bäume und Pflanzen, Konstruktionen und Baumaßnahmen. Ergebnis war ein 2.000 qm großer zentraler Gartenbereich mit Blumenbeeten – ähnlich einem klassischen Bauerngarten, auch bezüglich der Pflanzenauswahl, aber ohne Mittelachse –, zentral das ovale Wasserbecken als Vogeltränke, dazu Baumreihen. Wichtig waren für den Künstler immer die Blickachsen und die Blütenvielfalt. Außer den sog. Buchstabenbeeten entstanden Kastenbeet und Hügelbeetstreifen und wurden Stauden und Sommerblumen, Zwiebelblühern, Büschen und Bäumen gepflanzt. Dank der ab den 1930ern zahlreich publizierten Versandkataloge war es ein Leichtes, vielerlei Sorten zu ordern.

 

 

Noldes Garten ist in erster Linie ein Ziergarten, der von April bis Ende Oktober sein volles Blütenspektrum zeigt. Gemüse war den Noldes unwichtig, Obstbäume und Beerenobst sind hingegen vertreten. Ada starb 1946, Emil selbst zehn Jahre später; beide sind in einer Gruft am Rand des Gartens bestattet. 2004 bis 2007 wurde der Garten wiederhergestellt, seit 2010 kann er wieder besucht werden. Historische Aufnahmen im Anschluss - Schwarzweiß-Fotos – zeigen den Garten zu Lebzeiten Noldes, des Öfteren sieht man auf ihnen auch das Künstlerehepaar.

Blumen und Bilder

Moeller stellt ausgewählte Werke Emil Noldes ihren eigenen Pflanzenaufnahmen gegenüber und schafft eine Symbiose von Malerei und Fotografie, Kunst und Natur. Blüten wie Mohn, Pfingstrosen, Sonnenblumen, Tulpen oder Dahlien, dienten als beliebtes Anschauungsmaterial. Noldes langjähriger Gärtner berichtet, dass der Künstler suchend von Blüte zu Blüte gewandelt sei, sie eingehend betrachtet hätte, ehe er sich dann die Staffelei aus der Werkstatt holen und aufstellen ließ und schnell und intensiv an einem Bild arbeitete. War es fertig, wurde es hineingebracht und von ihm und Ada begutachtet.

 

Die meisten Blumenbilder entstanden in den letzten 30 Jahren seines Lebens in Seebüll, zuletzt in Aquarelltechnik. Mohn (Papaver) war eine seiner Lieblingsblumen. Die Bilder, in einer besonderen Technik auf feuchtem Papier angefertigt, zeigen zerfließende Farben und ausfransende Ränder und wirken alle sehr spontan und leuchtend. 

 

 

 


 


Noldes Garten von April bis Oktober


Im umfangreichen Hauptteil des Buches begleitet Moeller die heutigen Gärtner bei ihrer Arbeit. Mit Text und vor allem vielen Fotos geht es um den Nolde-Garten im Wechsel der Jahreszeiten. Man sieht die saisonal bedingten Farb- und Höhenwechsel, die allmähliche Steigerung der Blütenpracht zum Sommer hin, die explodierende Vielfalt. Typische Stauden, die Nolde liebte, sind Mohn, Rittersporn, Taglilien, Margeriten, Sonnenbraut, Sonnenhut, Dahlien und Sonnenblumen.

 


Der Maler, ausgebildet als Holzbildhauer und Zeichner in Flensburg, sah sich, obwohl dänischer Staatsbürger, ab 1933 zunehmenden Angriffem der Nationalsozialisten ausgesetzt. 1937 wurden seine Werke beschlagnahmt und in der Ausstellung „Entartete Kunst“ in München gezeigt. Das und vieles mehr ist der kurzen Biografie, die auf die Gartenkapitel folgt, zu entnehmen.

 

Abschließend geht es um die „30 schönsten Blumen in Noldes Garten“. Sie werden alphabetisch mit Fotos gelistet, von Akelei, Bauernpfingstrose, Dahlie über Pfingstrose, Eisenhut, Indianernessel bis hin zu Orientalischem Mohn, Rittersporn, Schwertlilie, Taglilie und Sonnenblume – jeweils mit Herkunft, Blüte, Standort und besonderen Hinweisen. 

Ein bisschen schade ist, dass es leider keine Angaben dazu gibt, inwieweit die heutige Gartenbepflanzung noch jener ursprünglichen Noldes entspricht und ob dieser bzw. wie genau dieser selbst Details, wie die Namen von Arten notiert hat. Es wird erwähnt, dass ältere Sorten, die nicht mehr im Handel sind, durch neue, ähnliche ersetzt werden, doch unklar bleibt, ob es jemals exakte Pflanzlisten gab. Gerade bei Stauden wie Ritterspornen, Pfingstrosen oder auch Sonnenblumen gibt es so viele, teils sehr verschiedene Arten, dass es interessant gewesen wäre, zu wissen, welche genau Nolde ausgewählt hat. Immerhin lebte einer der größten deutschen Staudenzüchter, Karl Förster (1874-1970), der vielen der von Nolde geliebten Stauden erst die gebührende Rolle zumaß, zur etwa gleichen Zeit wie dieser (siehe auch: https://travelingbookworms.blogspot.com/2024/04/die-welt-ist-viel-zu-bunt-um-allzu.html).

 

Den Anhang bilden Literaturhinweise, Informationen zu Autorin und Fotografin und Fakten zum Nolde Museum Seebüll.  Das Buch ist hochwertig gestaltet, der Druck von guter Qualität. Der Band gibt Anregungen dazu, wie künstlerische Visionen in die Praxis umgesetzt werden können und liefert Inspiration für die Gestaltung des eigenen Gartens. 


©Text: MB     ©Fotos: PrestelVerlag

Ein Haufen Dollarscheine



Esther Dischereit

Ein Haufen Dollarscheine – Roman

Maro Verlag Augsburg

312 Seiten, Umschlag Beate Maria Wörz

Hardcover ISBN  978-3-87512-676-1 24 €

 

Der Roman von Esther Dischereit war nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse 2025, der am 27. März 2025 vergeben wurde. Zwar gewann eine andere Autorin, Kristine Bilkau mit „Halbinsel“, den Preis, doch „Ein Haufen Dollarscheine“ ist auch ohne Auszeichnung ein interessanter, zum Nachdenken anregender Roman.

 

Nein, es ist kein „einfach“ zu lesendes Buch, sicher kein „Easy-Reading“: »Ein Haufen Dollarscheine« schildert ein etwas verschrobenes Familien­szenario, spinnt eine verwirrende Geschichte mit ständig wechselnden Personen und Orten. Die Hauptakteure gehören zu einer Großfamilie, die zerstreut in der ganzen Welt lebt: in Berlin, ­Chicago, ­Heppenheim, Rom und anderen Orten, die im Anhang in einem Verzeichnis (ebenso wie die vielen, großteils anonymen Personen) gelistet werden. Es geht vor allem um die Tante in ihrem blumengemustertem Kleid, die in der Flug­hafenlounge Kekse in die Tasche stopft und der Vergangenheit nachhängt.

 

Die Autorin Esther Dischereit lebt in Berlin. Sie schreibt Prosa, Lyrik und Essays und ist Autorin von Theater- und Hörstücken vorwiegend zu jüdischen Themen. Sie gilt als eine der wichtigsten Stimmen unter den Nachkommen der Shoa-Überlebenden in Deutschland. Dischereits Erzählweise ist weder chronologisch noch linear, eher assoziativ und formlos, sie spielt mit Eindrücken und Gefühlen und gibt Denkanstöße.

 

Die Autorin (©Wikimedia Commons)

Geschildert wird die Geschichte einer jüdischen Familie im weitesten Sinne, erzählt aus unterschiedlichen Perspektiven, wobei thematische und auch biografische Fragmente verschiedenster Art eingeflochten werden. Es ist eine etwas absurde Geschichte mit ernstem Hintergrund, getragen von zwei Figuren, die namenlos bleiben und im Wechsel erzählen: Die Mutter und die „Tante“. Und dann wären da noch deren Neffen. Ein Neffe ist der Sohn der älteren Schwester der Erzählerin, die den Holocaust mit ihrer Mutter im Versteck überlebt hat.

 

Der Roman schildert halb dokumentarisch, halb fiktional das Nachleben von Shoa-Überlebenden, den Konflikt, in dem sie sich bis heute befinden, die unterschiedlichen Identitäten, die sie annehmen. Unrecht aller Art, Heuchelei, Erbschleicherei und behördlichen Schikanen, sogenannte Wiedergutmachungszahlungen, nicht-entschädigte Zwangsarbeit, aber auch innerjüdische Machtpolitik und jüdische Bankdepots, die vor dem Krieg angelegt wurden, kommen zur Sprache. Es geht um den Konflikt zwischen Voll-, Vaterjuden, Halbjuden, Vierteljuden und um die zwanghaftige Rechtfertigung, die von Juden erwartet wird: Wer ist Befreier, wer Unterdrücker? Arisierung als „normal“ zu betrachten ist illegal.

 

Der Titel „Ein Haufen Dollarscheine“ bezieht sich auf die die lose aufgehäuften Episoden und Gedankengänge, aber auch auf Bankdepots, Erbschaften und Wohlstand, und ist ein äußerst lesenswertes Buch.

 

Infos: www.maroverlag.de/prosa/282-ein-haufen-dollarscheine-9783875126761.html

Pilotin und mutige Frau: Amelia Earnhart


Joe Lendle, Die Himmelsrichtungen

Hardcover, mit Schutzumschlag, 256 Seiten, 13,5x21,5cm

Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH München 2024

ISBN: 978-3-328-60379-5

24 €

„Von oben sah das Land aus wie eine von Großmutters Suppen. Seen schwammen in der Gegend wie Fettaugen. Weiße Brocken mochten Felsen sein oder Kartoffeln. Grüne Streifen aus Hecken, aus Schnittlauch. Niemand war da, der mich zurückrief. Zu sehen, wie das Blau in der Höhe allmählich dunkler wurde, versetzte mich in eine Art Rausch.“ (Zitat aus dem Roman)

 

„Solange ich rede, bin ich am Leben. Solange ich fliege. Die letzte Gewissheit, die mir bleibt: Wenn ich niemals lande, werde ich nicht gestorben sein“. Auch diese Worte stammen von Amelia Earhart, jener berühmten Flugpionierin, die 1937 versuchte, die Erde zu umrunden und dabei spurlos verschwand.

 


Vom wilden Kind zur Pilotin und Frauenrechtlerin

Geboren am 24. Juli 1897 in Atchison im US-Bundesstaat Kansas (Geburtshaus li. Foto, ©Kansas Tourism), war Amelia ein wildes Kind. Sie begann nach der Highschool Medizin zu studieren, brach jedoch ab und kehrte zu ihren Eltern nach Los Angeles zurück, um deren zerrüttete Ehe zu retten. 1920 flog sie erstmals in einem Flugzeug und fasste den Entschluss selbst fliegen zu lernen. Viele verschiedene Jobs halfen ihr, die Lizenz zu finanzieren und 1921 nahm sie ihre erste Flugstunde bei der Pilotin Neta Snook (1896-1991). Sechs Monate später kaufte sie sich ihr erstes Flugzeug, eine Zweisitzer-Maschine mit offenem Cockpit, die sie The Canary (Kanarienvogel) nannte und mit der sie kurz darauf einen Höhenweltrekord für Frauen von 4.300 m aufstellte.

 

Im Juni 1928 überquerte sie in 20 Stunden mit einem Flugzeug den Atlantik – und erlangte damit internationale Berühmtheit. Dabei war sie „nur“ die erste Frau, die den Atlantik nonstop als Passagierin überquert hatte: „Ich war nur Gepäck, wie ein Sack Kartoffeln“, sagte sie damals, „vielleicht werde ich es eines Tages allein versuchen.“ Im folgenden Jahr nahm sie am ersten Cleveland Women’s Air Derby (auch „Puderquastenrennen“ genannt) teil, unterstützt vom New Yorker Verleger George Palmer Putnam, den sie später heiratete. Das Rennen missfiel ihr und 1929 gründete Earhart mit vier anderen bekannten Pilotinnen den Club der Ninety Nines, mit dem Ziel, Frauen in der Luftfahrt zu fördern. Heute ist der Club mit mehr als 5000 Mitgliedern die größte Pilotinnenvereinigung mit Sektionen in fast allen Ländern der Welt.

 

Ausstellung im Seattle Museum of Flight ©MB
Earharts letzter Flug

1931 heiratete sie „widerstrebend“ ihren Verehrer, George Putnam unter der sehr modernen Prämisse eine offene Ehe ohne Zwänge zu führen. Im Mai 1932, fünf Jahre nach Charles Lindbergh, überquerte sie als erste Frau den Atlantik im Alleinflug. Von Harbor Grace in Neufundland bis nach Paris war der Plan, doch in ihrer modifizierten Lockheed Vega 5B (heute im National Air & Space Museum in Washington DC zu sehen), „Little Red Bus“ genannt, landete wegen schlechten Wetters und technischer Probleme in Londonderry/Nordirland. Dennoch brachten ihr 15 Stunden in der Luft und 3260 Kilometer Ruhm und Ehre ein, darunter die Goldmedaille der National Geographic Society ein, überreicht vom damaligen US-Präsidenten Herbert Hoover.

 

©Amelia Earhart Hangar Museum Atchison
Am 11. Januar 1935 überflog sie als erster Mensch im Alleinflug den Pazifik zwischen Honolulu und Oakland/CA und im selben Jahr absolvierte sie den ersten Soloflug von Mexico City nach Newark/NY.  Ihr nächstes Ziel war vor ihrem 40. Geburtstag, als erster Mensch, die Erde am Äquator zu umrunden.  1937 saß Earhart selbst am Steuer ihrer „Muriel“, einer Lockheed Modell 10 Electra (Foto links), Navigator war Fred Noonan. Der zweite Start (der erste Versuch war vorzeitig gescheitert) erfolgte am 21. Mai in Miami, man landete in Brasilien, Westafrika, Kalkutta und Rangun. Am 2. Juli hob sie in Neuguinea ab mit geplantem Stopp auf der kleinen Howlandinsel. Dann verliert sich die Spur, das Flugzeug gilt seither als verschollen. Auch eine große von Präsident F.D. Roosevelt und seiner Frau initiierte Suchaktion mit 64 Flugzeugen und acht Kriegsschiffen blieb ergebnislos und Earhart wie Noonan wurden am 5.1.1939 für tot erklärt. Eine Reihe von Hobby-Forschern und Wissenschaftlern suchen seit Jahren Earharts Flugzeug. Inzwischen hat man noch nicht völlig bewiesene Anhaltspunkte gefunden: ein „Sonar-Bild eines flugzeugförmigen Objekts“ ...

Romankomposition à la Bach

 

Jo Lendle (* 1968), der Autor dieses Romans, studierte Literatur, Kulturwissenschaften und Philosophie. Er erzählt die Geschichte aus der Sicht Earharts, einer Heldin, die keine Heldin sein will. Er erzählt die Geschichte rückwärts, vom letzten Tag ihres Lebens bis zur Kindheit. Die Überschriften der einzelnen Kapitel „Ouverture 1937“, „Courante 20./21. April 1933“, „Sarabande 1928 etc.“ oder „Prélude Viel Früher. 1902 und folgende“ legen eine Beziehung zu den französischen Suiten von Johann Sebastian Bach nahe, ein Zyklus von sechs stilisierten instrumentalen Tanzstücken vom Anfang des 18. Jahrhunderts.

 

Wer über Amelia Earhart nicht viel weiß, tut sich zu Anfang etwas schwer mit der Art des Erzählstrangs, der Reihenfolge der Kapitel. Das Buch startet mit ihrer Gegenwart und zeigt die Schwierigkeiten auf, die sie als Frau erlebt. Die Story endet in ihrer Kindheit, wo man mehr über ihre Motivation mit dem Fliegen zu beginnen, erfährt. Es gibt  viele interessante Situationen und Dialoge, hauptsächlich über das Fliegen, über die Stellung von Mann und Frau, über das typische Frauenbild der Zeit und über Gefühle.

 

Porträt einer mutigen, unprätentiösen Frau

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Die Geschichte wird im Buch von Amelia Earhart selbst erzählt, aus der Ich-Perspektive, basierend auf ihre eigenen Aufzeichnungen. Resultat ist das Porträt einer mutigen, unprätentiösen Frau, die mit einer gewissen Sturheit ihren eigenen Weg ging und letztlich 1937 starb. Gleichzeitig handelt es sich um eine Art Liebesgeschichte mit wechselnden Beteiligten: Zum einen wäre da ihr langjähriger Verehrer und Mentor, der mächtige und reiche Verleger George P. Putnam, zum anderen Eleanore Roosevelt, Ehefrau des Präsidenten F.D. Roosevelt. Im Roman fabuliert Lendle eine emotionale Beziehung zwischen beiden Frauen hinzu, mehr als eine normale Freundschaft, die sich nicht nur auf kleine „Spritztouren“ zum Fliegen während Staatsdiners beschränkte.

Das Buch ist beste Unterhaltung. Es widmet sich dem Leben der Luftfahrtpionierin, Dichterin und feministischen Vorkämpferin Amelia Earhart. Lendle geht so weit, zu behaupten, Earhart habe letztlich das Buch selbst geschrieben. Tatsache ist, dass ein guter Teil des Romans sich auf Amelia Earharts Schriften, Logbücher, Überlieferungen, auf ihre Gedichte und Briefe stützt. Wer mehr optische Anreize benötigt sei auf die Verfilmung von Earharts Leben im Film „Amelia“ (2009) von Mira Nair, mit Hilary Swank als Pilotin und Richard Gere als Ehemann, empfohlen.