Paperback, Klappenbroschur, 176 Seiten, 200 Abb.
ISBN: 978-3-7913-8042-1
Erschienen am 28. Februar 2024
Prestel Verlag München
€ 25,00 [D] inkl. MwSt.
„Hintergründe,
Marken, Trends – alles, was man über Sneaker wissen muss“, so lautet der
Untertitel dieses neu bei Prestel (München) erschienenen Buchs „Sneaker Obsession“,
das zunächst durch seinen grellgelben Umschlag mit darauf plastisch geprägten roten Sneakers
optisch auffällt. Zugegeben, die Rezensentin dieses Buches hatte vorher nicht
viel Ahnung von Sneakern und dem damit verbundenen Hype. Sie hatte in Folie eingepackte Sneakers
zu mehreren Hundert oder gar Tausend Euros in spezialisierten Läden in New
Yorks In-Vierteln bewundert, kennt einen Kollegen aus Frankreich, der Sneaker
sammelt, hat aber in ihrem eigenen Schuhschrank, abgesehen von Laufschuhen, gerade einmal zwei paar alte
Converse-Sneakers, die einen mit Comic-Motiven, die anderen in Camouflage,
stehen.

Angesichts dessen kam dieses Buch über die Welt der Sneaker gerade
recht. In ihm geht es höchst informativ um viele Aspekte: von den Ursprüngen
der Sneakerkultur über Modelle und Codes bis hin zu den aktuellen Trends und
Entwicklungen. Turnschuhe sind eben mehr als universal tragbares Schuhwerk, nämlich begehrte Sammel- und
Designobjekte, Kultgegenstände und Wertanlagen. Mittels zahlreicher Fotos, Infografiken und detaillierter
Produktbilder wird dieses Buch zum hilfreichen Nachschlagewerk.
Die „Schleicher“ mit Kultcharakter
Sneakers, Turn- oder Sportschuhe – der Name leitet sich von „to
sneak“ (schleichen) ab. Man kann sich dank der Gummisohlen weitgehend
geräuschlos bewegen. In „Sneaker Obsession“ geht es aber weniger um die alten
zweckmäßigen Turnschuhe als vielmehr um die heutigen Lifestyle-Schuhe.
Herausgegeben wurde das Buch von Kikikickz, einem führender Sneaker-Händler aus
Frankreich, der auf seltene Modelle und Limited Editions spezialisiert ist.
Fachleute dieser Firma, vor allem der Modejournalist Alexandre Pauwels,
Werbeteckter bei Kikikickz, erklären, was sich hinter Begriffen wie „Reseller“,
„Collabs“ oder „Raffles“ verbirgt.
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Das Buch ist dabei in sechs große Kapitel gegliedert. Im ersten,
dem Einführungs-Kapitel, geht es um die Begriffsdefinition, aber auch um
die „Anatomie“ eines Schuhs, mit Kragen, Ferse, Midguard, Outsole, etc., alles
klar anhand einer Zeichnung erklärt. Dann die Terminologie: Schon gewusst, was
„BNIB“ heißt? Es steht für „brand new in box“, während „DS“ (deadstock)
ursprünglich hieß, dass ein Schuh nicht mehr im Einzelhandel erhältlich ist,
heute jedoch mehr für „noch nie probiert/getragen“ verwendet wird. „Restock“
bezieht sich auf eine neue Charge eines ausverkauften Sneakers und ein
„F&F“-Sneaker ist selten und wird nur intern an „family & friends“
weitergegeben.
Die Erfolgsgeschichte der Sneaker von den
Anfängen über Hip-Hop zum Lifestyle-Objekt steht im Zentrum des nächsten
Kapitels. Vom frühen 20. Jh., damals noch Sportequipment, zum Stilsymbol und
Objekt der Begierde. Adidas, Puma, Asics – Olympische Spiele, Fußball WM –
machten den Anfang, doch schon früh zogen jugendliche Subkulturen Sneaker als
Anti-Establishment-Symbol auf der Straße an.
Der Hip-Hop machte ab den frühen
1970ern, in New York, die Sneaker zum Modeaccessoire. Run-DMC zeigte
sich verbunden mit Adidas, 50 Cent oder Jay-Z wandten sich Reebok zu. Dann kam Michael
Jordan (li.). Der Basketball-Superstar katapultierte die Sneaker-Kultur zu neuen
Höhen als er 1984 mit Nike-Schuhen auftrat. Andere NBA-Spieler taten es ihm
nach und in den 1990ern hatte sich der Turnschuh zum Lifestyle-Objekt
entwickelt.
Marken und Modelle
Im nächsten Kapitel kann man viel lernen, vor alle dank der Nebeneinanderstellung der
maßgeblichen Modelle. Bekannte Brands wie wie Nike, Adidas, Converse oder
Reebok werden in diesem Hauptteil des Buches vorgestellt, aber auch Exoten und
Luxusmarken. Nike's Geburtsstunde war 1971 in in Beaverton/OR, die Marke
ging jedoch aus dem 1964 gegründeten „Blue Ribbon“ hervor.
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Ausstellung zur Entstehung von Nike im Hayward Field der University of Oregon in Eugene
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Vor allem die Air-Max-Modelle wurden wegweisend
und natürlich die „Jordans“, eine Tochtergesellschaft von Nike, 1984 gegründet.
Es war die „Signature Line“ der Firma und sie stand für besonders kultige
Sneaker, die als Air Jordan-Modelle 1985-1995 Furore machten. Der „Jordan 3
Black Cement“ von Nike war für den Turnschuhmarkt wie das iPhone für den Mobiltelefonmarkt.
1988 kam der Schuh heraus, dann noch einmal 2011, und nach wenigen Minuten war er
weltweit ausverkauft.
Adidas galt als zeitlos (und zwischendurch auch als
„langweilig“). Die Firma war 1949 von Adolf Dassler gegründet worden, das
3-Streifen-Logo ging bald um die Welt, nicht nur dank Run-DMC, der
Haupt-Werbeträger der Firma wurde. Bei „Yeezy“ handelt es sich um eine
Kollaboration zwischen Adidas und Kanye West. Es entstand ein Imperium um den
beliebten „Yeezy Boost“, bis der Rapper 2022 in Ungnade fiel, und mit ihm
Adidas.
Rudolf Dassler, der Bruder des Adidas-Gründers, hatte nach dem
zweiten Weltkrieg Puma gegründet, mit einer springende Wildkatze als
Logo. Für Aufsehen sorgte die Firma 1993 mit dem „Disc Blaze“, einem neuem
Verschlusssystem. Die Ende des 19. Jh. in Großbritannien gegründete Firma Reebok
galt immer ein wenig als Außenseiter, betrieb Sponsoring in geringerem Ausmaß. Die Firma lief 2005 erst zu Adidas über und wurde dann 2022 Teil der Authentic Brands
Group USA.
Der Klassiker ist ... Converse, vor allem dank des Basketball-Stars
Chuck Taylor. Die „Chuck Taylor All Stars“ liefen 1917 erstmals vom Band und
wurden zum Dauerbrenner. Eines der meistverkauften Sneakermodelle, ein
Klassiker und seit fast 100 Jahren auf dem (amerikanischen) Markt – das sind die
Chucks.
Andere, meist jüngere Firmen, die im Buch zur Sprache kommen sind
z.B. New Balance, beliebt in der Lifestylekategorie, die japanische Firma
Asics, die für ihre Gel-Technologie berühmt wurde, oder Vans aus
Anaheim/California, die Top-Skater-Marke. Am Rande kommen Saucony, Fila oder
Solomon und Luxusmarken wie Balenciaga, Gucci oder Alexander McQueen vor.
Sneaker-Hype und Sneakerheads
„Rationalität zieht gegenüber der
Leidenschaft den Kürzeren“ und „selten ist gleichbedeutend mit teuer“, oft
werden die heiß begehrten Schuhe gar nicht
getragen, sondern bleiben in der Schachtel. Sneakerheads verfallen oft
in einen Kaufwahn – so der Sammler Elie Coster in einem der (zu jedem Kapitel) eingebauten
Interviews mit Sneaker-Freaks.
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Der Hype um Sneakers - es werden Begriffe wie „Limited Editions“ (limitierte Auflagen und exklusive
Veröffentlichungen) und Kollaborationen erklärt. Partnerschaften
mit Stars, v.a. mit Rappern, aber auch mit Luxus-Brands, Lifestyle-Stores oder
Streetware/Mode-Labels sind bedeutend geworden. Z.B. kooperieren Puma
mit Jil Sander, Jordan mit Dior oder es gibt Vans x Supreme, Nike Artists
Series, Adidas x Gucci, Nike SB x Supreme. Kanye West galt lange als „Revolutionär“
im Business; er löste 2009 mit avantgardistischen Designs und neuartigem
Marketing einen Hype aus. Heute sind
Virgil Abloh, Sneaker-Designer, und Travis Scott, Rapper aus Houston,
der eigene Air Jordans kreiert und seit 2020 bei Nike unter Vertrag steht,
Namen, die jeder Sneakerhead kennt. Eine immer wichtigere Rolle spielt die
digitale Welt, Influencer und Prominente bei der Jagd auf „Limited
Editions“. Per Raffle-Guide werden neue Veröffentlichungen online vertrieben,
das Kaufrecht wird verlost.
Wobei wir beim „Resale“-Markt wären, seit den 1980ern eine
Multimillionen-Dollar-Industrie. Privat werden in Läden nicht mehr erhältliche,
begehrte Sneaker, gewinnbringend weiterverkauft. Resale-Plattformen wie StockX
oder Kikkickz stellen Kontakte her. Der richtige Preis auf dem
Wiederverkaufsmarkt basiert auf Angebot und Nachfrage, wobei Infuencer,
Designs, Farben, aber auch Größen eine Rolle spielen. Und natürlich gibt es
auch Fälschungen, dazu im Buch die maßgeblichen Kriterien, wie man solche
erkennt.
Die Zukunft der Sneaker Culture? Nachhaltigkeit und
Inklusion? Es gibt verschiedene Meinungen und im Text geht es um die
Kontroversen: Modetrend oder Spekulationsblase, langfristiges Phänomen und
zukunftsfähige Wirtschaft? Was ist an Innovation noch machbar (3-D-Druck,
Personalisierung), was kann in Sachen Nachhaltigkeit (Recycling, Reuse-a-shoe)
noch unternommen werden? Wie ernsthaft sind diesbezüglich die Bemühungen der
Hersteller?
Sneaker-Kult für die Ewigkeit?
Jedes Jahr werden weltweit rund fünf Milliarden Sneaker produziert. Turnschuhe sind zum Massenphänomen
geworden: in jeder Lebenslage tragbar, Umsatztreiber der Mode- und
Luxusindustrie und uramerikanisch. Sammler geben ihr
Erspartes für limitierte Auflagen aus und machen ihr Haus zum Schuhmuseum, in
der Hoffnung auf Wertsteigerung. Hersteller gehen mit dem Trend und legen immer
wieder stark limitierte Editionen auf, die bereits unmittelbar später um das mehrfache
des Kaufpreises verkauft werden. Unterstützt wird die Bewegung von Stars aus
der Sport- und Musikszene, die Werbung machen.
„Sneakerheads“ - die
Fanatiker, die Sammler, die Junkies.; sie sammeln und hoffen auf hohe Renditen. Wenn
ein Modell gefällt, bleibt es oft erst mal ein paar Jahre im Schrank stehen. Wenn die Schuhe wieder aus den Läden verschwunden sind, werden sie aus
dem Regal herausgeholt. Innerhalb der Sneaker-Szene gibt es verschiedene
Trägertypen und kulturelle Unterschiede. In den USA ist eher sportlicher
Look – wie Jordans – gefragt, Europa steht auf Running-Retro-Modelle in Halbschuh-Form.
Technische Aspekte wie Verschlüsse, Materialien und Sohlen werden ebenfalls
wichtiger. Neben klassischen Tennisschuhen wie dem Stan Smith sind Schuhe in
Metallic-Optik oder futuristischen Styles gefragt.
Die teuersten Sneaker aller Zeiten war übrigens ein Air Jordan
13, der für 2,2 Mio. Dollar am 11.4.2023 bei Sotheby's versteigert wurde,
gefolgt vom Nike Air Yeezy 1 ($ 1,8 Mio.) und einem Nike Air Ship zu $ 1,47 Mio,
von Michael Jordan signiert und 1984 von ihm getragen.
©Fotos: Prestel Verlag (Kikikickz Archiv, Nike, Reebok, Bridgeman Images, Suzanne Daniels) sowie MB (2)
©Text: MB