STORE FRONT NYC – schöne Fotos von New Yorker Fassaden

 

James & Karla Murray, Store Front NYC

Hardcover, 240 S., 200 Bilder,  ISBN: 978-3-7913-8964-6, 40 Euro, Prestel Verlag München - London- New York, 2023

 

Der Untertitel des Buches lautet "Photographs of the City's Independent Shops, Past and Present" und um die geht es: um unabhängige Läden, Lokale u.a. Betriebe, Mom & Pop Stores, Familienbetriebe, kleine Unikate. Okay, zuerst fühlt man sich an "NYC Storefronts" von Joel Holland und David Dodge erinnert, ebenfalls bei Prestel 2022 erschienen (s. https://travelingbookworms.blogspot.com/2022/09/nyc-storefronts-gelungenes-design-und.htm), allerdings handelt es sich hier um Zeichnungen während das neue Buch erstklassige Fotos von Store Fronts enthält.

 

 

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"Every city has its own tale to tell..."

... so beginnt die Einleitung der Autoren – und New York hat natürlich viel zu erzählen. Die Autoren sind im Zusammenhang mit anderen Projekten im "Big Apple" herumgekommen und haben festgestellt, dass immer mehr kleine Läden verschwinden. Seit ihrem Buch "Store Front: The Disappearing face of New York" von 2008 sind in der Tat rund 80 % der dort abgebildeten Läden bereits verschwunden. Der nächste Band, "Store Front II: A History Preserved", von 2015, offenbart, dass seither erneut die Hälfte der Unternehmen schließen mußte. Dafür prägen immer stärker uniforme Kettenläden das Straßenbild, wobei die alten Läden so wichtig für die Neighborhood und die Community waren bzw. sind, speziell für die diversen Einwanderergruppen, die hier die vertrauten Lebensmittel und Speisen finden und ihre Sprache sprechen können.

 

Gegliedert ist das Buch nach geografischen Gesichtspunkten: Manhattan (Below 14th St., 14th to 59th St, Above 59th St.), The Bronx, Brooklyn (NE und Central, NW & Western, Southern), Queens (SW, N&Central) sowie Staten Island. Jede Neighborhood wird kurz zu Beginn der jeweiligen Kapitel mit Karte lokalisiert und beschrieben. Einleitend zu "Below 14th Street" lernt man z.B., dass Greenwich und East Villge, SoHo und die Lower East Side – diese wiederum unterteilt in NoLita, Little Italy und Chinatown – dazugehören, außerdem TriBeCa. Der jeweilige Charakter des Viertels wird kurz umrissen, z.B welche Bevölkerungsgruppen sich hier angesiedelt haben oder wie hier gebaut wurde. Am Ende des Buches gibt es einen alphabetischen Index der Store Fronts.

Noch da oder schon Geschichte?

Die Autoren machen zu Anfang klar, dass in dem Band auch Läden und Lokale vorkommen, die inzwischen geschlossen sind, aber als Ikonen gelten und daher aufgenommen wurden. Leider wird zu den Fotos zwar Objekt, Lage und das Jahr der Aufnahme angegeben, aber nicht, ob der Laden gegenwärtig noch existiert oder nicht. Wäre hilfreich gewesen, zumindest bei jenen, die schon seit Jahren geschlossen sind. Absolute Aktualität kann es natürlich nicht geben, dazu ist New York zu schnell veränderlich. Was heute noch floriert, kann morgen schon wieder weg sein.

 

    
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Aber andererseits macht es durchaus Spass, beim Blättern ein bisschen zu recherchieren, um herauszufinden, ob die Betriebe noch existieren. Speziell lohnend ist das bei solchen, die schon sehr antiquiert aussehen oder wirklich ungewöhnlich und daher interessant sind. Beginnen wir im Süden Manhattans: Die ersten zwei erwähnten, Pearl Paint und Ralph's, sind geschlossen. In der ursprünglich deutsch-jüdisch besiedelten Lower East Side gibt es jedoch noch Katz's Delicatessen, ebenso Kossar's und Russ & Daughters, Yonah Shimmel Knish Bakery, die Parkside Lounge oder Economy Candy. 

 

©Prestel, aus: "NYC Storefronts"  

 

Das ikonische Sammy's Roumainan Restaurant ist seit 2021 geschlossen. Sol Moscot in der Orchard Street ist umgezogen und hat ein moderneres Schild erhalten, wohingegen Orchard Corsets komplett aus der Zeit fällt. Globe Slicers, 266 Bowery, bedient immer noch Kunden mit Aufschnittmaschinen, fragt sich nur wie lange noch, denn gerade in der Bowery ist momentan viel im Umbruch. Mendel Goldberg Fabrics in der Hester Street von 1890 lädt zum Stoffkauf ein, Albanese Meats & Poultry (Foto links) ist noch da, ebenso viele der Traditionsshops in Little Italy: Vesuvio, Alleva, Piemonte, Caffé Roma, Di Palo's oder Rossi & Co.

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In Chinatown scheint der Wandel zurückhaltender, im Village fehlen hingegen wieder etliche Betriebe: z.B. CBGB und die alte Mars Bar, Love saves the Day, das Stage Restaurant oder De Roberti's. Village Cigars und Search & Destroy sind beständige Klassiker, die man gesehen haben muss und bei Porto Rico Importing sollte man einen Kaffee getrunken haben. Der einzigartige Chess Shop, vor dem immer Leute saßen und Schach spielten, ist seit 2012 geschlossen, ebenso Zito & Sons Bakery (2004). Das Stone Wall Inn steht als Teil des Stonewall National Monuments sogar unter Schutz. La Bonbonniere sollte man sich nächstes Mal ebenfalls unbedingt ansehen: Es ist kein Süßwarenladen, sondern ein Lokal! Wer zuviel gegessen hat, bekommt in der altehrwürdigen Bigelow Pharmacy, ebenfalls abgebildet im Buch, sicher ein Gegenmittel.

 


©Prestel/Murray

Ein Spaziergang durch die Viertel

Weiter nördlich gibt es La Taza de Oro nicht mehr, dafür aber Burger by Joe Junior in Gramercy und kurioserweise auch noch den 1932 gegründeten Schreibmaschinen-Laden "Gramercy Typewriter Co.". Der alte Stardust Diner am Broadway in Midtown ist noch da, wohingegen Esposito's Meat Shop, Howard Johnson's Restaurant & Bar und Manganaro's Grosseria Italiano in Hell's Kitchen weichen mussten. Überhaupt fällt auf, dass die schönen Store Fronts in Midtown vorwiegend zu Restaurants und Diners gehör(t)en, weniger zu Mom & Pop Stores wie in Downtown. Ein Unikat, das man beim nächsten Besuch nicht versäumen sollte, ist Kaufman's Army & Navy in Hell's Kitchen.

 

©Prestel/Murray

Der Norden Manhattans war u.a. deutsches Siedlungsgebiet und ein deutsches Relikt auf der Upper East Side war Glaser's Bake Shop - seit 2018 geschlossen; dafür gibt es noch jüdische Delis wie Barney Greengrass oder Murray's. Alteingesessene kleine, zweckmäßige, wenn auch nicht unbedingt schöne Läden und Lokale in Harlem sind vielfach verschwunden, die Gentrifizierung greift speziell hier um sich und die alten Etablissements mussten Ketten und Brandnames Platz machen. M&G Diner oder die Lenox Lounge (Foto oben) sowie etliche alte Barbershops sind Beispiele für den Exodus.

 

©Prestel/Murray
In der Bronx geht es vor allem um das reiche italienische Erbe und entsprechende Läden wurden im Bild festgehalten. Für Ravioli u.a. Pasta gibt's noch Borgatti's, während Riviera Ravioli zugemacht hat. Im Brooklyn-Kapitel weist allein der Zustand der Storefronten darauf hin, dass sie möglicherweise schon damals, als die Fotos geschossen wurden, zu waren oder kurz vor der Schließung standen. Hier findet man unter den abgebildeten kaum noch heute existierende Betriebe. Eine Ausnahme ist Gottlieb's Restaurant in Williamsburg (wobei dort solche Diners als "retro" gelten und schick geworden sind). Peter Pan Donut & Pastry existiert noch in Greenpoint, Teddy's Bar & Grill in Williamsburg, Caputo's Bake Shop in Carroll Gardens oder Luigi's Pizza in South Slope.

Erinnerungswürdige italienische Fassaden  

Im Süden Brooklyns gibt es große italienische (Bensonhurst) sowie osteuropäische/russische Gemeinden (Brighton Beach) und die wollen mit Fleisch versorgt werden, z.B. von Romeo Bros. Meats oder Landi's Pork Store. Stella Maris Bait & Tackle in Sheepshead Bay hingegen beliefert Fischer und Bootsbesitzer mit allem Nötigen. Queens' Ridgewood hat mit Morscher's Pork Store noch einen Laden zu bieten, der Leberwurst und Frankfurter führt und bei dem auf der Fassade steht: "Tischlein Deck Dich". Wie schon in der Bronx hat es auch in Brooklyn den Anschein, dass  italienische Läden die schöneren Lädenfassaden haben, viele davon sind im Buch versammelt. Pastosa Ravioli auf Staten Island passt ebenfalls in die Rubrik "italienisch".

 

©Prestel/Murray

James und Karla Murray sind Fotografen, deren Bilder schon in Museen und Galerien weltweit ausgestellt wurden. Sie sind seit Jahren auf Mission: Mit "Store Front. The Disappearing Face of New York", "Store Front II- A History Preserved" und "New York Nights" möchten sie die kleinen ungewöhnlichen Betriebe in New York, die am Schwinden sind, im Bild festhalten. In dem vorliegenden großformatigen Buch sind ihre aussagekräftigsten, schönsten  Aufnahmen zusammengestellt – alte und neue –, und man merkt, mit welcher Hingabe sich die Autoren den ausgefallenen Ladenfassaden mit ihren individuellen Schildern, Schriftzügen und Neon Signs gewidmet haben. Ein schönes Buch, das man als Geschenk für jeden New York-Fan unter den Christbaum legen könnte!

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