STREET ART WELTWEIT - NAMEN, DIE MAN SICH MERKEN SOLLTE

 

©Prestel/V.Ballantine

Alessandra Mattanza, New Street Artists

24 Künstler:innen, deren Namen man sich merken sollte - Newcomer:innen in der Szene von Adelaide bis Paris, von Kopenhagen bis Sao Paulo

Hardcover, 240 Seiten, ISBN: 978-3-7913-8991-2, 36 €, Prestel Verlag München, 2023

 

In letzter Zeit sind viele Bücher über Murals und Graffiti,  Street Art und Street Artists erschienen. Auch in dem neuen Buch von Alesandra Mattanza geht es um Straßenkünstler. Sie gibt in dem großformatigen, schön bebilderten Band, der unlängst im Prestel Verlag erschienen ist, einen Überblick über die internationale Street Art-Szene mit Fokus auf die neuen Stars in Großstädten weltweit. Mattanza hat Werke von 24 Street Artists ausgewählt, die nach Meinung der Autorin das Zeug dazu haben, sich zu neuen Stars der Szene zu entwickeln (es manchmal allerdings schon sind).

 

 

Mattanza lebt in New York und ist Autorin, Drehbuchautorin und Fotografin. Sie hat bereits mehrerer Bücher zum Thema verfasst, darunter Street Art: Legendäre Künstler und ihre Visionen oder Street Art is female und Banksy (alle bei Prestel). Ebenfalls von ihr stammt Zu Hause in New York: 20 Prominente zeigen ihre Stadt (2015).  In sehr persönlichen Reportagen beleuchtet sie nun in diesem neuen Buch Hintergründe und Motivationen der Künstler:innen (so die Schreibweise im Buch!). Unter den Vorgestellten – über die Auswahl könnten Fachleute sicher diskutieren – befindet sich auch der deutsche Künstler Hendrik Beikirch, dessen großformatige, realistische und sehr ausdrucksstarke Schwarzweißporträts weltweit Gebäude zieren, der Pariser Künstler Ardif, bei dem Maschinen und Natur verschmelzen, Inti, der mit großen, farbenfrohen Wandbildern die moderne chilenische Gesellschaft kritisiert, und der Amerikaner Vince Ballentine, dessen Technik Elemente aus Rap und Hip-Hop verbindet.

 

©Hendrik Beikirch

 

Was ist Street Art?

Dazu findet man in der Einleitung Auskunft. Street Art findet ausschließlich im urbanen Raum statt, ist Teil einer Performance und öffentlich. Die gewählten Künstler:innen greifen aktuelle gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Entwicklungen auf und machen damit Street Art zu einer einzigartigen Kunstform. Die Stadt wird zur Leinwand, Architektur, Neighborhood und Menschen werden in die Kunst eingebunden und es findet eine  Interaktion zwischen Künstler und Öffentlichkeit statt.

 

Ein wiederkehrendes Thema sind die Auswirkungen der Technik auf Mensch und Umwelt, Natur, Flora und Fauna. Die Motivationen der Künstler sind unterschiedlich, reichen von Erfahrungen und Selbsterlebtem über Aktivismus, Engagement und Protest bis hin zu Emotionen und Gefühlen. Oft spielen der Glaube an Gleichberechtigung und der Kampf gegen Diskriminierung und soziale Ungerechtigkeit hinein. Die Kunstrichtung steht für Diversität, Freiheit und Unabhängigkeit sowie das Eintauchen in andere Kulturen.

 

Street Artists – eine Auswahl aus der Auswahl

©Adnate

Die Künstlerporträts sind alphabetisch angeordnet, der Hauptteil des Buches beginnt mit dem Australier Matt Adnate (rechts), dessen großformatige Porträts von Menschen Hochhausfassaden zieren. Bei dem Franzosen Ardif steht eine retro-futuristische Ästhetik im Zentrum, den Gegensatz zwischen «Fortschritt» und Veralterung in der Wissenschaft stellt er v.a. in Gestalt von janusköpfigen Tierfiguren dar. Vincent Ballentine ist längst ein großer Name in der New Yorker Szene. Der Afroamerikaner aus Brooklyn studierte Filmkunst und Animation, lebte u.a. in L.A. , und sieht Kunst vor allem als therapeutischen Zweck. Auch bei ihm stehen Porträts bzw. Menschen im Allgemeinen im Vordergrund.

 

 

© V.Ballantine

 

© Fnnch

Blesea steht hingegen für Popkultur. Der Franzose malt Zeichentrick-Figuren, Mangas und taucht in Fantasiewelten ein, schafft unterhaltsame Kunst. Ebenso lustig sind die Werke von Ella & Pitr, einem Künstlerpaar – sie Komödiantin, er Street Art-Künstler – aus Frankreich. Ihre ironischen, auf Reaktion abzielenden Bilder kennzeichnen ganz charakteristische Köpfe. Mit den amerikanischen bärenförmigen Honig-Plastikgefäßen wurde Fnnch (er bleibt anonym!) bekannt. Er kreiert "Popart" im Silicon Valley, mit Bärchen, die verschiedenste Charaktere verkörpern und die man z.B. auf den Straßen von San Francisco findet, aber auch mit anderen Pop Art-Motiven.

 

© Fin Dac
Der Ire Fin Dac betrachtet die Wand als Leinwand und schafft großformatige impressive Fassadenbilder, die ebenfalls leicht zu identifizieren sind: Er hat sich auf Porträts von asiatischen Frauen, fremd und sinnlich, mutig, selbstbewusst und elegant spezialisiert. Vielfach tragen die Frauen eine Art Maske vor den Augen. Gefragt nach seiner Motivation, gibt er an, dass es vormals kaum positive Darstellungen asiatischer Frauen gab, sie wurden im Allgemeinen als Kurtisanen, Geishas oder Dragon Ladies abgebildet. Auch bei Royyal Dog, selbst aus Südkorea stammend und in L.A. lebend, steht Multikulti im Mittelpunkt – jenseits der Grenzen von Ethnien und Nationen bildet er ein Mosaik der Menschheit ab. Gerne stellt er POC in traditioneller koreanischer Kleidung dar. 

 

 

 

 

 

©Royyal Dog

INTI – Inti Castro – hat chilenische Wurzeln und großes Interesse für amerikanische Ureinwohner, für Kulte und Rituale. Er ist bereits seit 1996 als Street Artist tätig und produziert weltweit. In seinen Bildern nutzt er die Ikonografie verschiedener Kulturen und schafft eine Verbindung zwischen den Welten.

 

Eine der nicht allzu zahlreichen Frauen in der Szene ist Danielle Fastrion. Sie arbeitete beim Kollektiv 5 Poointz Long Island City Queens mit oder auch beim Bushwick Collective. Sie wuchs in Brooklyn auf und sagt von sich "Ich möchte mich weiterentwickeln und immer besser werden" und einmal in aller Welt ihre farbstarken Frauenporträts zu zeigen. Im Werk einer weiteren Frau, Jacoba Niepoort , in Dänemark geboren, in Massachusetts aufgewachsen, steht der menschliche Körper im Vordergrund. Ihr Thema sind verschlungene Leiber, die sich über ganze Hauswände räkeln, häufig als Linienlabyrinth. Meist sind die Gesichter nicht klar erkennbar oder verdeckt, denn die Künstlerin möchte die Aufmerksamkeit darauf lenken, was Körper und Hände tun wenn sie miteinander in Beziehung treten.

© Brandan Odums

© Brandan Odums
Flora und Fauna sowie Surrealismus mit „romantischen Anklägen“ stehen bei den Australiern Scott Nagy & Krimsone im Vordergrund, sie fühlen sich als "multidisziplinäre Mural-Maler" und weniger als Street Art-Künstler. Im Bann der Farben stehend, ist es ihnen wichtig, Stimmungen zu erzeugen und Szenen lebendig zu machen. 

Wesentlich direkter wirken die Bilder von Brandan BMIKE Odums aus New Orleans. Sein Hauptmotiv sind (afroamerikanische) Kinder. Er hatte wesentlichen Anteil daran, dass Bywater, ein in der Vergangenheit eher wenig beliebtes (Industrie-)Viertel, neu belebt wurde. Er verbindet Kunst und Aktivismus, legt Wert auf klare, direkte Aussagen und leichte Verständlichkeit. Inspiration für ihn sind Fotografie und Musik.

 

Einen komplett andere Stil pflegt Okuda San Miguel: viel Farbe und geometrische Formen – ein Fest für die Sinne! Seine Murals sind ein Mosaik aus bunten geometrischen Formen, die sich zu Portäts, Tieren o.a. Motiven zusammenfügen. In Spanien geboren und beeinflusst vom Land, sind seine Kunstwerke farbenfroh und glücklich, reich an Natur und Kunst. Eines seiner Meisterwerke ist die Ausmalung der International Church of Cannabis in Denver (2017).

 

© TV Boy

© TV Boy

Auch TVBoy - Salvatore Benintende aus Palermo ist mit seinem „Neopop-Stil“ ein Unikum. Er übermittelt Botschaften,  indem er oft Persönlichkeiten der Vergangenheit, wie die Mona Lisa, und Berühmtheiten der Gegenwart, z.B. Politiker, zusammenbringt. TVBoy ist der Meinung, dass wahre Street Art illegal sein muss und schafft daher häufig auch schnelle Paste-ups, z.B. Make Peace not War mit Donald Trump und Kim Jong-un.

Unterschiedliche Stile, verschiedene interessante Charaktere, grandiose Werke sind in dem neuen Band zu entdecken und es macht Spass Künstler und Werke zu vergleichen, Parallelen zu ziehen und weiter zu recherchieren. Dieses Buch ist ein Hingucker und absolut sein Geld wert!

 

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