Ashok Sinha

Gas and Glamour

Roadside Architecture in Los Angeles

Texte: Jack Esterson, Craig Kellogg, Sherri Littlefield, Ashok Sinha

Gestaltung: Kehrer Design (July Mollik)

Festeinband, 72 S., 59 Farbabb., Englisch

ISBN 978-3-86828-974-9

38 €

 

 

 

Ashok Sinha wurde 1975 in Kalkutta/Indien geboren, er lebt aber seit vielen Jahren in New York City, hat an der dortigen Columbia University studiert und u.a. im International Center of Photography ausgestellt. Seine Fotos wurden bereits im National Geographic, The New York Times und diversen Architektur- und Design-Magazinen publiziert. Obwohl er in NYC lebt (und dort vermutlich kein Auto braucht), sagt er:„I love cars and I love Lo Angeles for being a city of cars“.

 

Autokultur mit Stil

Das dürfte auch der Grund sein, dass sich sein kürzlich im Heidelberger Kehrer Verlag (auf Englisch) erschienenes erstes Buch „Gas and Glamour“ mit Amerikas goldenes Zeitalter des Automobils und der entsprechenden Architektur im Großraum Los Angeles beschäftigt. Während die Fahrzeuge verschwunden sind, gibt es etliche Gebäude dieser vergangenen Ära noch, wenn auch nicht immer in ihrer ursprünglichen Verwendung.

 


Die Städte wuchsen, allen voran der Großraum Los Angeles. Mehr und mehr Straßen verbanden die Suburbs mit dem Stadtkern und dort entstanden neue Wirtschaftszentren. Die Strecken wuchsen, Mobilität wurde zum „Volksgut“ und das Auto zum zweiten Wohnzimmer. Ab den 1930er-Jahren war einhergehend mit Straßenbau und wachsendem Autoverkehr eine „drive-up & drive-thru culture“ entstanden. Vor allem entlang der „Miracle Mile“, dem Abschnitt des Wilshire Blvd. zwischen Fairfax und La Brea Ave., wurden Läden, Lokale, Coffeeshops und Imbisse in futuristischer Googie Architecture gebaut.

 

Googie Architecture

Der Name Googie-Architektur leitet sich von Googie’s Coffee Shop in Hollywood ab, der von John Lautner 1949 entworfen (und 1989 abgerissen) wurde. Charakteristisch waren kurvig-geschwungene, flügelartige Dächer, viel Neon, Glas und Stahl, Bumerang- und Ufo-artige, aber auch geometrische Formen, große auffällige Schilder und Schriften. 1939 war John Lautner, ein Schüler Frank L. Wrights, nach Los Angeles gekommen und hatte erstmals mit diesem Stil für Aufsehen gesorgt. In seinen Fußstapfen folgten andere: Wayne McAllister zeichnete für Bob’s Big Boy (1949) in Burbank verantwortlich, und Douglas Honnold und das Architekturbüro Louis Armet und Eldon, bei dem Helen Liu Fong arbeitete, machten sich ebenfalls einen Namen.

 


„Googie“ ist eine futuristische, von Autokultur, Flugverkehr, Raumfahrt und Space Age beeinflusste Architektur. Ihre Ursprünge liegen in Kalifornien und sie war vor allem beliebt  von etwa 1945 bis Ende der 1960er im Bereich der auto-bezogenen Zweckbauten. Weiter gefasst und stärker auf den Wohnbau bezogen, „seriöser“ und strenger, ist dagegen der „Mid-century Modern Style“, dem Googie häufig zugerechnet wird.

 

Goldenes Automobilzeitalter

Der Architekturfotograf und Autoliebhaber Sinha zeigt, welche Rolle die Autokultur in L.A. spielte und weshalb ausgerechnet dort eine ganz spezielle Art von Roadside Architecture entstand. Autokult und Werbearchitektur gingen eine Symbiose ein, denn um einen Ort oder eine Attraktion schnell, im Vorbeifahren, aus dem Auto wahrnehmen zu können, mussten die Gebäude ins Auge fallen. Autowaschanlagen und Tankstellen, Coffee Shops und Imbissstationen wurden in den 1950ern und 1960ern entsprechend auffällig gestaltet. Heute sind sie Relikte der Vergangenheit und häufig bedroht.

 

Sinha machte sich daher daran, ein Kapitel Design-Geschichte festzuhalten. Er verewigte Gebäude, die als Billboards fungierten, ikonische, teils auch humorvolle Symbole des Konsums waren. Wie Skulpturen prägten sie das Straßenbild, zum Beispiel die älteste McDonald’s Filiale von 1953 – wie auf dem Buchcover abgebildet.  Weiteren „Eyecatcher“ und „Architektur-Ikonen“ sind beispielsweise The Donut Hole (zwischen 1947 und 1968 erbaut) oder die Driftwood Dairy – einer Bogenkonstruktion in Regenbogenfarben von 1961 in El Monte (heute leerstehend). Randy’s Donuts ist ein bis heute existierender Imbiss in Inglewood, der in Form eines knapp 10 m hohen Rings den „most famous donut in the world“ zeigt.

 


Bob’s Big Boy Broiler von 1958, wurde 2010 mit seinem signifikant-langen Schriftzug wiedereröffnet, nachdem das Gebäude zwischenzeitlich als Autohaus gedient hatte. Es ist eines der ältesten Drive-in Restaurants im Googie-Stil und gilt als Geburtsort des Doppeldecker-Hamburger. Mel’s drive-in (1953, von Eldon Davis, Louis Armet), heißt erst seit 1989 „Mel’s“. Norms Coffee Shop (1957, mit pfeilförmigem Dach und ungewöhnlichem Schild) oder eine Denny’s-Filiale (1967 als „Van De Kamp’s Holland Dutch Bakery“ eröffnet,) mit Zickzack-Dach und Windmühle mit rotierenden Blättern, machten Autofahrer auf sich aufmerksam.

 

Alles für den Reisenden


Als Autohaus 1949 gebaut und immer noch als solches betrieben wird die „Casa de Cadillac“. Ebenfalls den Grundbedürfnissen von Autofahrern trägt die Union 76 Gas Station vom Architekturbüro Pereira & Ass. (1965) mit futuristisch aerodynamischen Dach Rechnung (Foto re.). Autowaschanlagen wie Jet Wash (Inglewood, 1961) oder National Car Wash (North Hollywood) zogen ebenso Blicke auf sich wie Bowling Alleys à la Bowlium (1958, Long Beach) oder Bowlero (Woodland Hills, 1961) und Strip Malls wie das Fleetwood Center oder der Galpin Square Department Store. Nicht zuletzt sind Motels gute Beispiele für die Architektur der Zeit. Das Saga Motor Hotel in Pasadena von 1959 lag einmal an der Route 66, ebenso wie das Wigwam Motel (1947). Ebenfalls augenfällig sind das Flamingo Motel (1861) oder das Ritz Motel (1962).

 



Hinten in dem schmalen breitformatigen Buch befindet sich eine Übersicht der vorgestellten Gebäude mit kleinen Bildern (anderen als vorn) und Adressen, mit Strichcodes zum Scannen um die Location auf Google Maps zu finden. Die Fotografien sind grandios, die ausgewählten Beispiele decken ein breites Spektrum ab. Was man sich jedoch vielleicht noch gewünscht hätte, wäre etwas mehr Text, vor allem eine etwas umfangreichere Einführung ins Thema gewesen. Nicht jeder dürfte schließlich wissen, was z.B. genau „Googie Architektur“ ist. 

 

                                                         Fleetwood Center

 

INFOS/WEITERFÜHRENDE LITERATUR

- https://ashoksinha.com

- Alan Hess, Googie Redux: Ultra Modern Road Side Architecture (2004, Hsg.: Chronicle Books), u.a. bei Amazon erhältlich.

- M. Brinke - P. Kränzle, CityTrip Los Angeles, Reise Know-How Verlag, 2019

 

Fotos:  

© Kehrer Verlag Heidelberg mit Ausnahme Foto 2 (©MB) und Foto 3 (©Discover Los Angeles).




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