Heike Bungert, Die Indianer


Heike Bungert

Die Indianer. Geschichte der indigenen Nationen in den USA

C.H. Beck-Verlag, München 2020

286 Seiten mit 12 Abb. und zwei Karten, Broschur, 16,95 €

ISBN 978-3-406-75836-2

 

Deutschlands besondere Beziehung zu den Indianern zeigt die schier unendliche Breite an Publikationen in den Buchregalen, meist aufwändig bebildert. Angesichts dessen wundert man sich zunächst, dass der C.H. Beck-Verlag kürzlich ein eher unscheinbares Taschenbuch zum Thema auf den Markt brachte. Doch das Buch „Die Indianer. Geschichte der indigenen Nationen in den USA“ von Heike Bungert brilliert durch seinen Inhalt und ist ein neues Highlight zum Thema „Indianer“. Jedem an den indigenen Völkern der USA interessierten Leser sei deshalb die Lektüre dieses Taschenbuches ans Herz gelegt.

 

 

Taschenbuch mit schwergewichtigem Inhalt

Die Geschichte der Indianer beginnt zwar vor über 16.000 Jahren, mit ihrer Ankunft in Nordamerika, doch erst mit der Ankunft der „Weißen“ – also der europäischen Abenteurer und Kolonisten – im 15. Jahrhundert erlebten die indigenen Völker auf dem nordamerikanischen Kontinent einschneidende Veränderungen.


Auf nur knapp 280 Seiten ist es Heike Bungert, Professorin für Neuere und Neueste Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Nordamerikanischen Geschichte an der Universität Münster, gelungen, eine Gesamtdarstellung der Geschichte der indigenen Kulturen Nordamerikas zu liefern. Sie beschreibt die Begegnung mit den „Euroamerikanern“ – wie sie die weißen Neusiedler nennt –, die Vertreibung der indigenen Völker, den Versuch der Zerstörung dieser Gesellschaften, aber auch den Widerstand der Indianer.

 

Während in den meisten Werken zu den Indianern immer die gleichen Stämme und dieselben indigenen Führer im Vordergrund stehen und es um Kriege und Vertreibungen oder die allbekannten Klischees vom „Edlen Wilden“ und seiner Naturverbundenheit geht, bleibt Bungert konsequent sachbezogen. Sie richtet ihren Blick aufs Ganze und befindet sich auf dem neuesten Stand der Forschung. Dazu liefert Bungert neue Ansätze: So waren die Indianer nicht nur „passive Opfer, die ... im Einklang mit der Natur lebten und von .... Euroamerikanern verdrängt und ermordet wurden“. Auch ist die Autorin breit aufgestellt was Stämme betrifft und bleibt nicht beim Widerstand in den 1970ern stehen.

Vier Hauptziele

Bungert verfolgt vier Hauptziele: Erstens soll die durchaus auch aktive Rolle indigener Gruppen gezeigt werden. Es geht nicht nur um Adaptationen, sondern auch um geschickte Politik, um Widerstand und Revitalisierungsbewegungen. Zweitens will die Autorin einen umfassenden Überblick über die indianische Geschichte geben, bis zur Zeit unter Präsident Trump. Da es unmöglich ist, alle der über 600    indigenen Völker zu behandeln, versucht Bungert in den einzelnen Kapiteln beispielhafte Gruppen herauszugreifen. Drittens befasst sie sich erstmals auch mit den Frauen und ihren Rollen in bestimmten Gruppen. Und schließlich steht die Darlegung der gegenseitigen Wahrnehmung und besonders das euroamerikanische, im ständigen Wandel begriffene Indianerbild, das auch die Indianerpolitik beeinflusste und beeinflusst, im Zentrum. Besonderes Augenmerk richtet Bungert auf die bis heute schwierige Koexistenz zwischen dem Staat und den Indianern.

 

Sioux Falls/SD-Good Earth SP, Mural im Museum

Geschichtsabhandlung in 13 Kapiteln

Nach einem Vorwort, in dem sich die Autorin ausführlich mit dem Begriff „Indianer“ auseinandersetzt, geht es in 13 Kapiteln um verschiedene historische Perioden:

- Ursprünge (14.000 v. Chr.–ca. 1400 n. Chr.)

- Kultur, Sprache und Lebensweise vor Ankunft der Euroamerikaner (1400 – 1513)

- Formen des Kontaktes und Auswirkungen (1513 – 1689)

- Von der Teilnahme an europäischen Kriegen zur Indianerpolitik der jungen USA (1689 – ca. 1820)

- Indianische Erneuerungsbewegungen und der Widerstand gegen die Euroamerikaner (1762 – ca. 1820)

- Die US-amerikanische Vertreibungspolitik und die Reaktion der Indigenen (1820 – ca. 1860)

- Die Besiedlung des Westens und die Auswirkungen für die Indigenen (ca. 1840 – 1890)

- Versuche zur „Zivilisierung“ der Indianer (1870 – ca. 1910)

- Widerstand und panindianische Bewegungen (1870/1911 – ca. 1920)

- Indigene und die neue Politik des Indian New Deal (1917 – 1944)

- Indianische Migration in US-amerikanische Großstädte und die „Terminations“-Politik (1944 – 1970)

- Die Red-Power-Bewegung (1961 – 1978)

- Eine neue Beziehung zwischen den USA und indigenen Nationen? (1968 – 2019).

Abgerundet wird der Band durch zwei Karten, Anmerkungen und Literaturhinweise –bezeichnenderweise zitiert die Autorin fast nur englischsprachige Fachliteratur – und einem umfassenden Register.

Heike Bungert hat mit diesem Buch eine kompetente Darstellung auf dem neuesten Stand der Forschung geschrieben, die weit entfernt ist von romantischen Klischees und stattdessen die aktive Rolle der Indigenen berücksichtigt. Berühmte Helden oder die immer wieder hervorgehobenen Schlachten und Massaker werden kurz und undramatisch in ihren historischen Zusammenhang gestellt. Dem C.H. Beck-Verlag kommt damit der Verdienst zu, endlich auch in Deutschland ein Indianerbuch veröffentlicht zu haben, das sich sachlich der indigenen Geschichte bis in die heutige Zeit widmet!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen