Attica Locke, Bluebird, Bluebird und Heaven My Home



Attica Locke: Bluebird, Bluebird.
Aus dem Amerikanischen von S. Mende.
Polar Verlag, Stuttgart 2019. 330 Seiten, 20 €
ISBN 978-3-945133-71-2.
Coverfoto: © Polar Verlag Stuttgart

Attica Locke: Heaven, My Home.
Aus dem Amerikanischen von S. Mende

Polar Verlag, Stuttgart 2020, 322 Seiten, 22 €
ISBN 978-3-945133-91-0

Coverfoto: © Carsten Klindt

Attica Locke (Foto ©Mel Melcon, LA/Polar Verlag) befasste sich nach Black Water Rising (2009) und Pleasantville (2015) – beides Krimis mit dem texanischen Rechtsanwalt Jay Porter in der Hauptrolle –, und „The Cutting Season“ (2012), und neben ihrer Arbeit an der TV-Show „Empire“ in ihrem vierten Roman, der 2017 auf Englisch erschien, mit den weißen Texanern auf dem Land und ihrer rassistischen Scheinheiligkeit. Sie bekam für „Bluebird, Bluebird“ schon mehrere Auszeichnungen, u.a. den renommierten Edgar Award Winner 2018.

Kleiner blauer Vogel
Der Titel des ersten Bandes stammt aus einem Song des Blues-Musikers John Lee Hooker: „Bluebird, Bluebird, take this letter down south for me“. Ebenso melancholisch beginnt auch der erste Kriminalroman von Locke: Auf einem Friedhof im Shelby County im Osten von Texas, an der Grenze zu Louisiana.

Darren Mathews ist Texas Ranger, Mitglied jener legendären 1823 gegründeten Spezial-Polizeieinheit in Texas. Man kennt die Truppe aus der 1993 bis 2001 ausgestrahlten TV-Serie „Walker, Texas Ranger“ mit Chuck Norris in der Hauptrolle, dem mit James Trivette (Clarence Gilyard, Jr.) ein schwarzer Ranger zur Seite gestellt wurde. Vergleichbar mit Mathews, der mit dem karrierebewussten weißen FBI-Freund Greg Heglund ermittelt.

Nach zwei Jahren Jura in Princeton hatte Mathews abrupt sein Studium abgebrochen. Anlass war eine wahre Begebenheit: Der Afroamerikaner James Byrd Jr. wurde 1998 in Jasper, Texas, von drei weißen Männern an einem Pick-up über eine Asphaltstraße gezogen, bis ihm der Kopf abgerissen wurde. Ein Wendepunkt für Mathews, der daraufhin nach Texas zurückkehrt, um dem Beispiel eines Onkels zu folgen und Texas Ranger zu werden. Es gelingt ihm sogar, eine Spezialabteilung für Hassverbrechen ins Leben zu rufen.

Schwarz und Weiß
Im ersten Band fährt Mathews, obwohl eigentlich wegen eines anderen rassistischen Verbrechens vom Dienst suspendiert, eines Tages nach Osttexas, ins Shelby County, in das fiktive Nest Lark, um sich „umzusehen“. Dort scheint sich auch 40 Jahre nach „Jim Crow“ so gut wie nichts verändert zu haben. Ein dubioser Sheriff leugnet die Aktivitäten der Arischen Bruderschaft und versucht, weiße Verdächtige zu decken. 
Was im Roman zunächst wie ein doppeltes Hassverbrechen aussieht, entpuppt sich als komplizierter Fall. Eines der Opfer, halbtot geprügelt und im Bayou ertränkt, heißt Michael Wright, ein schwarzer Anwalt aus Chicago. Die zweite Tote, Missy Dale, war eine unglücklich verheiratete weiße Kellnerin, erwürgt und ebenfalls aus dem Fluss gezogen.

Rassenkonflikte bilden den roten Faden in beiden genannten Bänden. Es gibt eine schwarze und eine weiße Welt. Während in „Bluebird“ die Schwarzen Geneva Sweets Café, ein small-town diner, in dem „colored folks“ willkommen sind, frequentieren, gehen die Weißen zu Jeffs Juice House. Hier befindet sich auch der Treff der „Aryan Brotherhood of Texas“ (ABT), deren Aufnahmeprüfung darin besteht, einen Schwarzen umzubringen .

Darren Mathews leckt Blut sobald es um Hassverbrechen und ABT geht. Doch wo sonst die Spezialeinheit der Texas Ranger immer mit höchstem Respekt behandelt wird, hat der dunkelhäutige Mathews keinen leichten Stand. Er kämpft an vorderster Front gegen den Rassismus, hintergründig spielen auch Probleme mit der Ehefrau und Mutter hinein. Das Ende des ersten Mathews-Krimis setzt dann die alkoholsüchtige Mutter ihren Sohn mit Beweismaterial unter Druck.

Heaven, My Home
„Heaven, My Home“ setzt dort an, wo „Bluebird, Bluebird“ aufhörte. Wieder geht es um ein Hassverbrechen, das Texas Ranger Mathews vor dem Hintergrund, Beweise gegen die arische Bruderschaft sammeln zu wollen, mit aufklärt. Im Vordergrund steht die Suche nach einen neunjährigen Buben, der auf dem riesigen Caddo-Sees in einem Boot verschwunden ist. Er wurde zuletzt von dem alten Afroamerikaner Leroy Page gesehen, der daraufhin verdächtigt wird, Levy King aus dem Weg geschafft zu haben.

Ganz in der Nähe, auf Page's Land – der Roman spielt im fiktiven Hopetown, einer Enklave, in der Schwarze und Caddo-Indianer seit Jahrhunderten einträchtig miteinander lebten – ist unrechtmäßig ein Trailer Park mit Anhängern der rassistischen Bruderschaft ABT entstanden und zu einer der hier lebenden Familien gehörte der Bub. Die Rednecks hatten die ursprünglichen Bewohner bedroht und beschuldigen Page jetzt des Verbrechens. Mathews klärt auf und findet heraus, dass die Gemeinschaft in Hopetown nicht nur von Rednecks bedroht wird, sondern auch von profitgierigen Immobilienhaien.

Attica Locke hat „Bluebird, Bluebird“ geschrieben, bevor Trump zum Präsidenten gewählt wurde. In ihrem neuesten Kriminalroman stellt sie sich der veränderten Situation in einem zutiefst gespaltenen Land. „Heaven, My Home“ ist ein spannendes, dramatisch konstruiertes Buch, bei dem die uralten Rassenkonflikt nicht schwarz-weiß, sondern als vielfältig ineinander verflochtene Gemengelage ohne moralisch saubere Trennungen geschildert werden.

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